Bundespräsi bemüht Marx und Tucholsky zur Rettung der GEZ-Gebühren
Anlässlich des Festakts zum 50. Jubiläum der Selbstkontrollbehörde "Deutscher Presserat", der über ethische und fachliche Standarts im Journalismus wachen soll, wandte sich Bundespräsident Horst Köhler in seiner Ansprache anfang der Woche gegen die Verfachung der Medien und die Dominaz der Werbeträger, die zunehmend auch auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen versuchen. Dabei bemühte er bemerkenswerte Kapazitäten, um insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien auf Linie zu bringen:
" [...] Ist es nicht doch auch etwas ganz Besonderes, Zeitung machen zu dürfen? Ich finde, als Journalisten und Verleger sollten Sie das hüten und bewahren, was den Ihrer Arbeit ausmacht und weshalb sie unter dem Schutz des Grundgesetzes steht. Ich selbst bin in dieser Frage konservativ. Deshalb neige ich zu Karl Marx. Der hat gesagt: 'Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein.' Übrigens: Kommerzielle Zwänge müssen nicht zwangsläufig zu Qualitätseinbußen führen. Erst als im 19. Jahrhundert neuem schnelle Druckmaschinen zur Verfügung standen und die Industrie mit Hilfe der Werbung Massengüter unter die Verbraucher bringen wollte, konnten sich die Zeitungen von den sie bis dahin prägenden parteipolitischen Bindungen lösen und lernen, Massen anzusprechen – was nur gelang, indem man eine unparteiische Sprache fand: die moderne Nachrichtensprache eben.
[...]
Noch etwas: Gute Journalisten sollten sich nicht den Schneid abkaufen lassen von schnellen Journalisten. 'Wer im Flachen badet, kann nicht untergehen.' Diese Sottise wird dem langjährigen RTL-Chef Helmut Thoma zugeschrieben. Die Folgen dieses Geschäftsprinzips bekommt fast jeder Journalist in Deutschland zu spüren. In der Tat kann einem mulmig werden, der einst wegen Tucholsky und der Weltbühne Journalist wurde und sich heute als Kollege von schriffen Gestalten wieder findet, die die Welt für ihre Bühne halten. Niemand hat die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und schon gar nicht die Printmedien gezwungen, Stilmittel des Privatfernsehens zu übernehmen. Dennoch haben sie es getan, und sie tun es bis heute. [...]"
Und dank Heribert Prantl wissen wir nun auch, was dieser kluge Marx-Spruch für unsere Grundrechtsdogmatik bedeutet (SZ vom 22.11.06): Denn in der Tat sei die Herstellung einer Zeitung etwas anderes als die Herstellung von Tapeten oder Plastikfolien; "und die Produktion von Rundfunk- und Fernsehsendungen ist etwas anderes als die Produktion von Joghurt oder Stanzmaschinen. Medienunternehmen dürfen und sollen zwar Gewinn machen, aber wenn sie an nichts anderem interessiert sind als daran, dann wackelt die Pressefreiheit. Für die Herstellung von Tapeten, Plastikfolien, Joghurts und Stanzmaschinen gibt es nämlich keine speziellen Garantien, kein eigenes Grundrecht. Wenn also Medienfreiheit missbraucht wird, um Schleichwerbung zu machen, wenn es eine Tendenz gibt, sie auf die Freiheit zu grundrechtsgeschützter Geldvermehrung zu reduzieren, dann wird es immer schwerer werden, sie als besonders wichtig zu verteidigen – weil sich dann die Pressefreiheit nicht mehr von der allgemeinen Gewerbefreiheit unterscheidet. Wenn das Grundrecht nicht mehr von innen glänzt, dann hilft es nichts mehr, wenn das Bundesverfassungsgericht ab und an mit dem Glanzspray hantiert." – Genau das wird aber vom BVerfG erwartet, das heute zum Fall der Durchsuchung der Redaktionsräume des Potsdamer Politmagazins Cicero verhandelt hat (siehe Pressemitteilung des BVerfG >>).
Bereits im Vorfeld hatte sich Berichterstatter Wolfgang Hoffmann-Riem gegen die zunehmende Ökonomisierung der Medien gewandt, denn die Achtung des Staates vor der Freiheit der Medien setze auch Selbstachtung der Medien voraus. Daran fehle es aber, "wenn Medien von ihren Managern immer mehr als ökonomische Güter wie andere auch behandelt und vorrangig oder gar allein am Ertragsinteresse ausgerichtet" werden. Ob also langfristig der Jura-Zeitung "Freischuss" (mensch beachte den Namensklau des C.F.Müller-Verlags) und die Bildzeitung wegen offensichtlicher Vorrangigkeit ökonomischer Interessen aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausgenommen werden, bleibt abzuwarten.
" [...] Ist es nicht doch auch etwas ganz Besonderes, Zeitung machen zu dürfen? Ich finde, als Journalisten und Verleger sollten Sie das hüten und bewahren, was den Ihrer Arbeit ausmacht und weshalb sie unter dem Schutz des Grundgesetzes steht. Ich selbst bin in dieser Frage konservativ. Deshalb neige ich zu Karl Marx. Der hat gesagt: 'Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein.' Übrigens: Kommerzielle Zwänge müssen nicht zwangsläufig zu Qualitätseinbußen führen. Erst als im 19. Jahrhundert neuem schnelle Druckmaschinen zur Verfügung standen und die Industrie mit Hilfe der Werbung Massengüter unter die Verbraucher bringen wollte, konnten sich die Zeitungen von den sie bis dahin prägenden parteipolitischen Bindungen lösen und lernen, Massen anzusprechen – was nur gelang, indem man eine unparteiische Sprache fand: die moderne Nachrichtensprache eben.
[...]
Noch etwas: Gute Journalisten sollten sich nicht den Schneid abkaufen lassen von schnellen Journalisten. 'Wer im Flachen badet, kann nicht untergehen.' Diese Sottise wird dem langjährigen RTL-Chef Helmut Thoma zugeschrieben. Die Folgen dieses Geschäftsprinzips bekommt fast jeder Journalist in Deutschland zu spüren. In der Tat kann einem mulmig werden, der einst wegen Tucholsky und der Weltbühne Journalist wurde und sich heute als Kollege von schriffen Gestalten wieder findet, die die Welt für ihre Bühne halten. Niemand hat die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und schon gar nicht die Printmedien gezwungen, Stilmittel des Privatfernsehens zu übernehmen. Dennoch haben sie es getan, und sie tun es bis heute. [...]"
Und dank Heribert Prantl wissen wir nun auch, was dieser kluge Marx-Spruch für unsere Grundrechtsdogmatik bedeutet (SZ vom 22.11.06): Denn in der Tat sei die Herstellung einer Zeitung etwas anderes als die Herstellung von Tapeten oder Plastikfolien; "und die Produktion von Rundfunk- und Fernsehsendungen ist etwas anderes als die Produktion von Joghurt oder Stanzmaschinen. Medienunternehmen dürfen und sollen zwar Gewinn machen, aber wenn sie an nichts anderem interessiert sind als daran, dann wackelt die Pressefreiheit. Für die Herstellung von Tapeten, Plastikfolien, Joghurts und Stanzmaschinen gibt es nämlich keine speziellen Garantien, kein eigenes Grundrecht. Wenn also Medienfreiheit missbraucht wird, um Schleichwerbung zu machen, wenn es eine Tendenz gibt, sie auf die Freiheit zu grundrechtsgeschützter Geldvermehrung zu reduzieren, dann wird es immer schwerer werden, sie als besonders wichtig zu verteidigen – weil sich dann die Pressefreiheit nicht mehr von der allgemeinen Gewerbefreiheit unterscheidet. Wenn das Grundrecht nicht mehr von innen glänzt, dann hilft es nichts mehr, wenn das Bundesverfassungsgericht ab und an mit dem Glanzspray hantiert." – Genau das wird aber vom BVerfG erwartet, das heute zum Fall der Durchsuchung der Redaktionsräume des Potsdamer Politmagazins Cicero verhandelt hat (siehe Pressemitteilung des BVerfG >>).
Bereits im Vorfeld hatte sich Berichterstatter Wolfgang Hoffmann-Riem gegen die zunehmende Ökonomisierung der Medien gewandt, denn die Achtung des Staates vor der Freiheit der Medien setze auch Selbstachtung der Medien voraus. Daran fehle es aber, "wenn Medien von ihren Managern immer mehr als ökonomische Güter wie andere auch behandelt und vorrangig oder gar allein am Ertragsinteresse ausgerichtet" werden. Ob also langfristig der Jura-Zeitung "Freischuss" (mensch beachte den Namensklau des C.F.Müller-Verlags) und die Bildzeitung wegen offensichtlicher Vorrangigkeit ökonomischer Interessen aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausgenommen werden, bleibt abzuwarten.
Labels: Zeitfolgen
0 Comments:
Kommentar veröffentlichen
<< Home