Dienstag, März 31, 2009

Der Rech(ts)staat

Die taz fragte in ihrer heutigen Ausgabe Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech
Haben Sie Verständnis für die Camp-Organisatoren, die argumentieren, friedlich Demonstrierende empfinden massive Polizeipräsenz als Stress und brauchen deshalb Raum, wo sie sich erholen können?
Und der Innenminister antwortete
Friedliche Demonstranten haben beim Anblick der Polizei keinen Stress. Mit Leuten, die behaupten, von der Polizei gehe Gewalt aus oder allein das Vorhandensein von Polizei sei Gewalt, würde ich gerne mal über ihr Verständnis von Rechtsstaat diskutieren. Die Polizei gewährleistet überhaupt erst, dass demonstriert werden kann.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit Herrn Rech gerne mal über sein Grundrechtsverständnis diskutieren wollte. Jedenfalls hat sich beim Lesen dieser Zeilen mein Pulsschlag beschleunigt. Das fängt schon damit an, dass Herr Rech Menschen vorschreiben will, wie ihr vegetatives Nervensystem zu reagieren hat. Wer beim Anblick der Polizei nun Stress, Unwillen oder was auch immer empfindet, kann sich sicher sein: Seine Gefühle werden vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) erfasst. Nicht nur als klassisches Abwehrrecht, sondern auch als Recht auf Teilhabe am demokratischen Willensbildungsprozess garantiert die Versammlungsfreiheit, sich an dem "ständigen Prozeß der politischen Meinungsbildung, die sich in einem demokratischen Staatswesen frei, offen, unreglementiert und grundsätzlich ›staatsfrei‹ vollziehen müsse", teilzuhaben (BVerfGE 36, 315 [346]). Daher ist es, auch völliger, aber leider oft zu hörender Unsinn, die Polizei gewährleiste erst, dass demonstriert werden könne. Nö, das kann jede dahergelaufene Bürgerin von Grundrechts wegen einfach so.

Und dass von der Polizei Gewalt ausgehe(n kann), entspricht geltender Rechtslage, auch im Rech(ts)staat. Nach §§ 49 Abs. 2, 52 des Baden-Württembergischen Polizeigesetzes (PolG) ist die Polizei zur Anwendung unmittelbaren Zwanges befugt. Und wie definiert sich "unmittelbarer Zwang"? Richtig, unmittelbarer Zwang ist "jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch" (§ 50 Abs. 2 PolG).

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