akj-Gruppenpraktikum
Die »Generation Praktikum« hat es schon nicht leicht im Leben. Aber bevor das Gejammer wieder los geht, sei hier nachdrücklich angemerkt, welche Möglichkeit es neben »Ausbeutung all inclusive« und »Langeweile ohne Ende« noch so zur freien Auswahl gibt.
Vortreffen: Donnerstag, 14. Februar 2008 | 18.30 Uhr
Raum 229, Juristische Fakultät
Vom 3. März bis 4. April 2008 findet auch in diesem Jahr das akj-Gruppenpraktikum statt. Als echte Alternative zum Aktenmappenträger-, Kopierer- oder Kaffekochpraktikum ist es seit Jahren an den Berliner Rechtsfakultäten etabliert: Praxis erleben bei linken, kritischen AnwältInnen und gleichzeitig was lernen - so lässt sich das Konzept beschreiben. Oder auch so: 20 Jurastudierende werden je nach individueller theamtischer Präferenz an 20 verschiedene Anwältinnen und Anwälte vermittelt, wo sie ein Monat lang ihr Praktikum in bester Betreuung absolvieren. Damit aber nicht jedeR alleine in den Kanzleien schwitzen muß, treffen sich die an dem Praktikum Teilnehmenden jeden Nachmittag in der Universität, wo eine Anwältin bzw. ein Anwalt zu seinen spezifischen Arbeitsschwerpunkten, zu rechtspolitischen Themen oder den Spezifika des AnwältInnenberufs referiert.
Wie das ankommt, lässt sich z.B. hier nachlesen:
"Warum eigentlich immer allein und auf eigene Faust ins Praktikum? Später arbeitet mensch auch neben KollegInnen. Also lässt sich doch unter KommilitonInnen direkt mal damit anfangen, indem mensch gemeinsam in eine Kanzlei geht oder sich zumindest nach der Büroarbeit regelmäßig trifft und sich über
seine Tätigkeit austauscht. Andere Frage: Weshalb gleich von 0 auf 100 den ganzen Tag im Büro mit Aktenstudium verbringen? Hinter beinahe jedem Fall steckt noch so viel mehr als juristische Dogmatik.
Für manchen ist sogar ziemlich genaues Praxiswissen gefragt. Doch woher nehmen, wenn nicht im standardisierten Vorlesungsinhalt inbegriffen?
Hier bietet sich ein nachmittäglicher Intensivkurs für LeidensgenossInnen der Unwissenheit hervorragend an, um den Horizont zu erweitern und gleichzeitig den Arbeitstag aufzulockern. Dabei lassen sich dann bestimmte Fachgebiete, neueste Gesetze und aktuelle Fälle ebenso besprechen wie die Tipps und Tricks des Anwaltsberufes. Und wer könnte das wohl besser als die AnwältInnen selbst. Also warum die PraktikerInnen in ihr Büro verbannen und aus der Uni raushalten?
Wie angenehm sich das Hinterfragen in Vorlesungen vermittelter Dogmen ausnehmen kann, lässt sich wunderbar jedes Jahr beim akj-Gruppenpraktikum erleben, was soviel heißt wie vier Wochen lang Zusammenarbeit mit einem kritischen Anwalt oder einer kritischen Anwältin, inklusive MandantInnenbesprechungen, Gerichtsterminen, Gefängnisbesuchen und dabei kein einziges Mal stupides Kopieren und Kaffeekochen. Dementsprechend ist die Wirkung weit mehr als das bloße Erfüllen einer beliebigen Examenszulassungsvoraussetzung. Neben dem Einblick in den anwaltlichen Erfahrungsschatz ergibt sich unter Umständen auch das einoder andere persönliche Gespräch, welches für die berufliche und studentische Selbstreflexion durchaus hilfreich sein kann. Nicht minder wirkungsvoll sind die Vortragsthemen der gemeinsamen Nachmittage.
Wann bekommt mensch schon mal einen über zwei Stunden langen Intensiveinführungskurs in die sozialrechtliche Problematik »Hartz IV«, verbunden mit der alles entscheidenden Frage der Prozesskostenhilfe? Woher, wenn nicht von einer Praktikerin, sollte mensch erfahren, dass Nebenklagevertretung von Frauen und Kindern nicht so einfach ist, wie es scheint? Schnell wird klar, dass jedes spezifische Rechtsgebiet seine ganz eigene Aufmerksamkeit fordert.
Im AusländerInnenrecht, Versammlungsrecht, genauso wie im Arbeitsrecht können politische Erfahrungen und Detailkenntnisse aus dem täglichen Anwendungsbereich eine erheblich wichtigere Bedeutung für einen Fall erlangen als der Gesetzestext selbst. Auf die Dogmatik allein kommt es nicht an. Ein weiteres Phänomen: Zum Beispiel im Problemfeld Hausbesetzung vereinen sich mehrere Rechtsgebiete, wie Polizeirecht, Strafrecht, Mietrecht und Vereinsrecht, die durch unwirklich zurechtgestutzte Sachverhalte verwöhnte Studierende erst mal zu bändigen lernen müssen. Einfacher wird das im Bereich Hochschulrecht. Nicht jedeR weiß, was das allgemeinpolitische Mandat sein soll, aber zumindest bewegt mensch sich da in einem lebensnahen Bereich, dem Studienalltag. Erstaunlich trotzdem, was mensch dann doch noch alles Neues
hört bei einem Blick hinter die Kulissen und auf die konkreten gesetzlichen Grundlagen, die ja eigentlich alle Studierenden kennen müssten. Wie wichtig ein kritisch überprüfender Blick auf die von jeder Studentenin und jedem Studenten jahrelang inhalierten wohlklingenden Rechtsstaatsgrundsätze in der Praxis ist, ergibt sich zwingend, wenn plötzlich von kodierten ZeugInnen, Terrorismusbekämpfung im AusländerInnenrecht und Auslieferung an Folterstaaten die Rede ist. Derlei spannende Themen und dazu der lehrreiche Einblick in das Dasein von linken RechtsanwältInnen, in meist kollegialer Atmosphäre, sind ohne Zweifel die Gründe für ein gelungenes Praktikum. Kein Grund also zu jammern für die »Generation Praktikum«, wenn sie sich denn ausnahmsweise mal für ein Gruppenpraktikum beim akj entscheidet. "
Quelle: Marie Melior in: das freischüßler #15|2007, S.57f.
Vortreffen: Donnerstag, 14. Februar 2008 | 18.30 Uhr
Raum 229, Juristische Fakultät
Vom 3. März bis 4. April 2008 findet auch in diesem Jahr das akj-Gruppenpraktikum statt. Als echte Alternative zum Aktenmappenträger-, Kopierer- oder Kaffekochpraktikum ist es seit Jahren an den Berliner Rechtsfakultäten etabliert: Praxis erleben bei linken, kritischen AnwältInnen und gleichzeitig was lernen - so lässt sich das Konzept beschreiben. Oder auch so: 20 Jurastudierende werden je nach individueller theamtischer Präferenz an 20 verschiedene Anwältinnen und Anwälte vermittelt, wo sie ein Monat lang ihr Praktikum in bester Betreuung absolvieren. Damit aber nicht jedeR alleine in den Kanzleien schwitzen muß, treffen sich die an dem Praktikum Teilnehmenden jeden Nachmittag in der Universität, wo eine Anwältin bzw. ein Anwalt zu seinen spezifischen Arbeitsschwerpunkten, zu rechtspolitischen Themen oder den Spezifika des AnwältInnenberufs referiert.
Wie das ankommt, lässt sich z.B. hier nachlesen:
"Warum eigentlich immer allein und auf eigene Faust ins Praktikum? Später arbeitet mensch auch neben KollegInnen. Also lässt sich doch unter KommilitonInnen direkt mal damit anfangen, indem mensch gemeinsam in eine Kanzlei geht oder sich zumindest nach der Büroarbeit regelmäßig trifft und sich über
seine Tätigkeit austauscht. Andere Frage: Weshalb gleich von 0 auf 100 den ganzen Tag im Büro mit Aktenstudium verbringen? Hinter beinahe jedem Fall steckt noch so viel mehr als juristische Dogmatik.
Für manchen ist sogar ziemlich genaues Praxiswissen gefragt. Doch woher nehmen, wenn nicht im standardisierten Vorlesungsinhalt inbegriffen?
Hier bietet sich ein nachmittäglicher Intensivkurs für LeidensgenossInnen der Unwissenheit hervorragend an, um den Horizont zu erweitern und gleichzeitig den Arbeitstag aufzulockern. Dabei lassen sich dann bestimmte Fachgebiete, neueste Gesetze und aktuelle Fälle ebenso besprechen wie die Tipps und Tricks des Anwaltsberufes. Und wer könnte das wohl besser als die AnwältInnen selbst. Also warum die PraktikerInnen in ihr Büro verbannen und aus der Uni raushalten?
Wie angenehm sich das Hinterfragen in Vorlesungen vermittelter Dogmen ausnehmen kann, lässt sich wunderbar jedes Jahr beim akj-Gruppenpraktikum erleben, was soviel heißt wie vier Wochen lang Zusammenarbeit mit einem kritischen Anwalt oder einer kritischen Anwältin, inklusive MandantInnenbesprechungen, Gerichtsterminen, Gefängnisbesuchen und dabei kein einziges Mal stupides Kopieren und Kaffeekochen. Dementsprechend ist die Wirkung weit mehr als das bloße Erfüllen einer beliebigen Examenszulassungsvoraussetzung. Neben dem Einblick in den anwaltlichen Erfahrungsschatz ergibt sich unter Umständen auch das einoder andere persönliche Gespräch, welches für die berufliche und studentische Selbstreflexion durchaus hilfreich sein kann. Nicht minder wirkungsvoll sind die Vortragsthemen der gemeinsamen Nachmittage.
Wann bekommt mensch schon mal einen über zwei Stunden langen Intensiveinführungskurs in die sozialrechtliche Problematik »Hartz IV«, verbunden mit der alles entscheidenden Frage der Prozesskostenhilfe? Woher, wenn nicht von einer Praktikerin, sollte mensch erfahren, dass Nebenklagevertretung von Frauen und Kindern nicht so einfach ist, wie es scheint? Schnell wird klar, dass jedes spezifische Rechtsgebiet seine ganz eigene Aufmerksamkeit fordert.
Im AusländerInnenrecht, Versammlungsrecht, genauso wie im Arbeitsrecht können politische Erfahrungen und Detailkenntnisse aus dem täglichen Anwendungsbereich eine erheblich wichtigere Bedeutung für einen Fall erlangen als der Gesetzestext selbst. Auf die Dogmatik allein kommt es nicht an. Ein weiteres Phänomen: Zum Beispiel im Problemfeld Hausbesetzung vereinen sich mehrere Rechtsgebiete, wie Polizeirecht, Strafrecht, Mietrecht und Vereinsrecht, die durch unwirklich zurechtgestutzte Sachverhalte verwöhnte Studierende erst mal zu bändigen lernen müssen. Einfacher wird das im Bereich Hochschulrecht. Nicht jedeR weiß, was das allgemeinpolitische Mandat sein soll, aber zumindest bewegt mensch sich da in einem lebensnahen Bereich, dem Studienalltag. Erstaunlich trotzdem, was mensch dann doch noch alles Neues
hört bei einem Blick hinter die Kulissen und auf die konkreten gesetzlichen Grundlagen, die ja eigentlich alle Studierenden kennen müssten. Wie wichtig ein kritisch überprüfender Blick auf die von jeder Studentenin und jedem Studenten jahrelang inhalierten wohlklingenden Rechtsstaatsgrundsätze in der Praxis ist, ergibt sich zwingend, wenn plötzlich von kodierten ZeugInnen, Terrorismusbekämpfung im AusländerInnenrecht und Auslieferung an Folterstaaten die Rede ist. Derlei spannende Themen und dazu der lehrreiche Einblick in das Dasein von linken RechtsanwältInnen, in meist kollegialer Atmosphäre, sind ohne Zweifel die Gründe für ein gelungenes Praktikum. Kein Grund also zu jammern für die »Generation Praktikum«, wenn sie sich denn ausnahmsweise mal für ein Gruppenpraktikum beim akj entscheidet. "
Quelle: Marie Melior in: das freischüßler #15|2007, S.57f.
Labels: Agitation
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