Sonntag, November 27, 2011

Zusammenfassung des vorläufigen Beobachtungsberichtes vom Samstag, den 26. November 2011

Am Samstag, den 26.11.2011, waren die Demobeobachter_innen des arbeitskreises kritischer juristinnen und juristen von der Humboldt-Uni Berlin mit ihren magentafarbenen Warentesten und der Aufschrift "OBSERVER" ab 8 Uhr bei den Kontrollstellen in Metzingen präsent, begleiteten anschließend einige Finger aus diesem Camp durch den Wald und zu den Gleisen.

Von massiven Rechtsverletzungen und martialischen Menschenjagden ist zu berichten:
  • Obwohl das Verhalten der Demonstrant_innen friedlich und konfrontationsvermeidend war, nahmen Zwangsmaßnahmen deutlich an Gewalttätigkeit und Beliebigkeit zu; die Bereitschaft zum Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken – auch ohne Ankündigung – sinkt offenbar.
  • Demosanitäter_innen sind übermäßig häufig von Polizeimaßnahmen betroffen.
  • Weiterhin tritt die Polizei schikanös gegenüber Pressevertreter_innen auf.
  • Mangelnde Kennzeichnung der Beamten verhindert Identifizierung von Straftätern im Amt.

1. Kontrollen an den Zufahrtswegen nach Metzingen
Zwischen 8 und 11 Uhr morgens hatten Polizeikräfte die Zufahrten zu Metzingen blockiert und führten penible Personenkontrollen durch. Es wurde gezielt nach Polsterungen gesucht, Personalien aufgenommen und Datenabgleiche durchgeführt. Dabei nahmen die Beamt_innen den Menschen insbesondere mitgeführte Handschuhe ab, selbst wenn es sich dabei um reine Wollprodukte handelte. Der akj-berlin bestreitet die Rechtmäßigkeit der gezielten Durchsuchungen nach sog. Schutzbekleidung an Kontrollstellen.
Bei den Befragungen wurden die Betroffenen weder über die Rechtsgrundlagen aufgeklärt noch auf die Freiwilligkeit ihrer Auskünfte hingewiesen. Das Auftreten der Beamt_innen lässt sich als pseudodeeskalativ beschreiben: Aus bedrohlich wirkenden Wasserwerfern heraus wurden offensichtlich überflüssige Ansagen gemacht, die wohl zur Mitwirkung animieren sollten, aber provozierende Wirkung hatten. Alle Personen an den Kontrollstellen wurden abgefilmt. Pressefotografen wurden gezielt schikaniert.


2. Übergriffe auf Sanitäter_innen
Bereits in der Nacht und an den Kontrollposten wurde den Demosanis jedenfalls zeitweise der Zugang zu hilfsbedürftigen Personen verweigert. Immer wieder wurden Sanitäter und Ärztinnen Opfer polizeilicher Übergriffe. Diese sind wegen ihrer Arg- und Wehrlosigkeit während der Behandlung von Hilfsbedürftigen besonders gefährdet. An den Schienen bei Breese wurde beobachtet, wie Polizeibeamte mit Geschrei und Pfefferspray von hinten hilfeleistende Sanitäter angriffen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Sanitäter_innen unabhängig von der Gefahren- oder Stresslage behindert und drangsaliert werden.


3. Übermäßig gewalttätiger und rechtswidriger Zwangseinsatz
In den Wäldern bei Göhrde weit außerhalb der Sperrzone kam es immer wieder zu martialischen Jagdszenen auf einzelne Castorgegner_innen, obwohl diese die Polizeikräfte weiträumig zu umgehen versuchten. Insbesondere Einheiten der Bundespolizei und aus Baden-Württemberg setzten ohne Vorwarnung und mit lautem Gebrüll den Menschen nach, rissen sie zu Boden, wo sie sich auf diese knieten oder an Armen und Beinen nach unten drückten, um sie schließlich an Ort und Stelle liegen zu lassen.
Entlang der Schienen kamen zusätzlich Pfefferspray und Schlagstöcke zum Einsatz, die willkürlich in der Menge verteilt wurden. Nicht selten gerieten Beamte so in Rage, dass sie ihre eigenen Kollegen trafen. Auch Pferde kamen wieder zum Einsatz. Beobachtet wurde auch, dass am Boden liegende Personen geschlagen und getreten wurden.
Der Einsatz von Gewalt, noch dazu unter Verwendung sog. "technischer Hilfsmittel" wie Schlagstöcke und Pfefferspray gegenüber friedlichen Menschen, ist rechtswidrig, wenn dieser nicht vorher angedroht wird und den Leuten die Möglichkeit geboten wird, sich den Zwangsmaßnahmen durch Befolgung konkreter Anweisungen zu entziehen. Diese Möglichkeit bestand ganz überwiegend nicht.


4. Polizeiübergriffe in Pommoissel
In Pommoissel zog am Nachmittag eine Gruppe Castorgegner_innen mit antifaschistischen Parolen durch den Ort. Obwohl die Gruppe weitab von den Schienen und kontrolliert unterwegs war, wurde sie von den Polizeibeamten mit Prügeln tracktiert. Diese Situation war so offensichtlich rechtswidrig, dass die prügelnden Beamten von ihren Kollegen mit Nachdruck davon abgehalten werden mussten.


5. Keine Kennzeichnung der Polizeibeamten
Steinwürfe von Protestierenden auf Polizeibeamt_innen wurden im Laufe des Tages nicht beobachtet. Allenfalls Pyrotechnik kam außerhalb des Schienenbereichs zum Einsatz. Demgegenüber lässt sich das krass rechtswidrige Vorgehen der Einsatzkräfte weder individuell noch gruppenspezifisch überprüfen. Einzelkennzeichnungen der fast ausschließlich männlichen Beamten gab es nicht. Länderwappen waren oftmals verdeckt oder nicht erkennbar. Gruppenkennungen verloren ihren Sinn, weil die Polizeikräfte gemischt agierten. Nicht selten trugen sie zudem Sturmmasken. Eine Identifizierung von Straftätern im Amt war daher objektiv nicht möglich.

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