Mittwoch, Januar 31, 2007

Globale Rechte - Gutmenschentum oder revolutionäres Szenario?

Vortrag und Diskussion mit Gregor Samsa zu Menschenrechten im Spannungsfeld von Utopie, sozialen Kämpfen und positivem Recht

Dienstag, 6. Februar 2007 um 19.30 Uhr
Humboldt-Uni | Juristische Fakultät
Bebelplatz 1 | Raum 326


Der Begriff der “Globalen Rechte” taucht immer öfter in antikapitalistischen und herrschaftskritischen Kontexten auf, so zum Beispiel anlässlich der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm. Diesem Verständnis entsprechend sind politische und sozio-ökonomische Rechte nicht das Ergebnis staatlicher Setzung, sondern Resultat sozialer Kämpfe und Auseinandersetzungen auch jenseits der Parlamente. Aber wo genau liegt das emanzipatorische Potential von Rechten? Und ist es das gleiche, Nahrung oder das Recht auf Nahrung zu fordern?

Der Referent Gregor Samsa (Bewegungsaktivist und Autor) wird sich der Frage widmen, was Rechte überhaupt sind und was gemeint ist, wenn globale Rechte eingefordert werden. Die traditionelle linke Kritik, die Menschenrechte als systemimmanente Flickschusterei, naives Gutmenschentum oder fadenscheinige Begründung von Kriegseinsätzen charakterisiert, wird kritisch beleuchtet. Auf dieser Basis soll gezeigt werden, inwiefern “Globale Rechte” das beinhalten, was ansonsten kurz und bündig unter Titeln wie “Kommunismus“, “Assoziation freier Individuen“ oder dem zapatistischen “Marsch der Würde“ firmiert. Der Flüchtlingsstreik im Oktober 2006 gegen die Isolationspolitik in bundesdeutschen Ausreiselagern dient Gregor Samsa als konkretes Beispiel dafür, wie diese Verbindung in der Realität aussehen kann.

Lest dazu auch den Artikel des Referenten in der ak
Nr. 508: "Hype oder kommunistisches Szenario?"

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Samstag, Januar 20, 2007

VGH Kassel hebt Ausbürgerung auf

Die einmal verliehene deutsche Staatsbürgerschaft darf auch dann nicht entzogen werden, wenn die AntragstellerInnen bei der Einbürgerung die Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Organisationen verschwiegen haben.

Der hessische Verwaltungsgerichtshof Kassel gab am Donnerstag einer Klage von vier türkischstämmigen Deutschen statt, die gegen das Land Hessen vor Gericht gezogen waren. Dieses hatte die Einbürgerungen rückgängig gemacht, weil die Männer Funktionäre der als verfassungsfeindlich geltenden islamischen Gemeinschaft Milli Görüs sind. Die Richter entschieden, dass den Antragstellern die Verfassungsfeindlichkeit der Organisation nicht bewusst gewesen sein müsse. Sie begründeten ihr Urteil mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das eine Rücknahme der Staatsbürgerschaft nur bei arglistiger Täuschung oder vergleichbaren Fällen zulasse. (mehr Infos bei Beck-online)
Damit schränkte der VGH die vom BVerfG eröffnete Möglichkeit, Eingebürgerten die Staatsangehörigkeit auch dann zu entziehen, wenn sie dadurch staatenlos werden, weiter ein. Am 24. Mai 2006 hatte das Bundesverfassungsgericht die Rücknahme einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung für verfassungsgemäß erklärt (AZ: 2 BvR 669/04). Dem lag die Verfassungsbeschwerde eines aus Nigeria stammenden Mannes zugrunde, der mit einer Deutschen verheiratet ist und im Jahr 2000 die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Zum Beleg seiner Unterhaltsfähigkeit legte er die Lohnbescheinigung einer Hanauer Gerüstfirma vor. Tatsächlich arbeitete dort ein anderer unter seinem Namen. Als er wegen Drogenhandels zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, flog die Täuschung auf. Daraufhin nahmen die Pforzheimer Behörden 2002 die Einbürgerung zurück.
Die Argumentation lautete damals etwa wie folgt: Zwar schreibe das Grundgesetz in Artikel 16 vor, dass die Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden darf. Das Verbot beziehe sich indes nicht auf Fälle, in denen der Erwerb von vornherein missbräuchlich gewesen sei. Auch der Schutz vor Staatenlosigkeit stehe dem nicht entgegen. In diesem Punkt erging das Urteil mit zwei zu sechs Stimmen. Ein Patt herrschte im Zweiten Senat in der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Rücknahme erfolgen kann. Bislang werden Vorschriften im Verwaltungsverfahrensrecht herangezogen. Vier der acht RichterInnen genügten diese. Nur wenn die Täuschung erst Jahre später entdeckt werde oder Kinder mitbetroffen seien, müsse ein Gesetz verabschiedet werden. Vier hielten dagegen die geltende Regelung richtigerweise für unzureichend.
Im jüngsten Urteil des BVerfGs zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft ging es um die Frage, ob Eingebürgerte ehemalige Ausländer ihre deutsche Staatsangehörigkeit zu Recht verlieren, wenn sie nachträglich ihre frühere Staatsbürgerschaft wieder annehmen. Kaum überraschend bejahte dies die 2. Kammer des Zweiten Senats anlässlich der Verfassungsbeschwerde eines ausgebürgerten Türken in einem Beschluss vom 8. Januar 2007 (Az.: 2 BvR 1339/06). Weil er nach seiner Einbürgerung zusätzlich die türkische Staatsangehörigkeit beantragt hatte, war ihm der deutsche Pass entzogen worden. Die VerfassungsrichterInnen argumentierten, Betroffene dieser Regelung hätten es - wie der Kläger auch - selbst in der Hand, Deutsche zu bleiben. Für sie sei es mit Blick auf die hier verbotene Doppelstaatigkeit "nicht unzumutbar", sich zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden.
Der Entzug einer zunächst vorbehaltlos gewährten Staatsbürgerschaft wird auch in sicherheitspolitischer Hinsicht innerhalb der EU heftig diskutiert. Neben Berlusconi in Italien präsentierte auch Tony Blair nach den Londoner Anschlägen 2005 ein Bündel von Gesetzesvorhaben, die den Bürgerrechtsnihilismus auf die Spitze treiben. Dazu gehörten auch die Entziehung der britischen Staatsbürgerschaft, der Widerruf anerkannten Asyls und die Ausweisung von Personen, "deren Tun den Interessen des Landes zuwiderlaufen". Nicht nur die Verherrlichung von Gewalt, auch die Rechtfertigung von Terrortaktiken sollen in Zukunft strafbar sein, Moscheen, islamische Buchläden und Gemeindezentren, die "Extremismus schüren", geschlossen werden. (einen Überblick geben Bittner/Mönninger: Europa rüstet auf).

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