Montag, September 24, 2007

Gelebte Misanthropie. Berichte aus der Staatsanwaltschaftsstation - II

Gute alte keule strafrecht (Grave)

So weit, so gut. Meine ausbilderin war erstmal drei wochen im urlaub, was mir ein wenig luft verschaffte, aber trotzdem hatte ich schon eine sitzungsvertretung bekommen. „Sitzungsvertretung“ bedeutet, daß referendarInnen staatsanwältIn spielen dürfen bzw. müssen. Zur vorbereitung schaute ich mir einen verhandlungstag an. Und dort begannen die ernsteren problemchen für mich und mein gewissen:

Fünf verhandlungen, sechs angeklagte. Vermutlich hat mich schon das erste verfahren einfach so 'runtergezogen, daß ich dann auch beim ganzen rest eher überempfindlich war. Aber der reihe nach: Im ersten verfahren ging es um einen einbruchsdiebstahl. Während ich draußen auf den staatsanwalt wartete, hatte ich ein paar kurze worte mit dem ebenfalls wartenden angeklagten gewechselt, quasi um mich als mensch zu erkennen zu geben, und auch um 'rauszukriegen, worum es geht. Ich kannte die akten ja nicht. Der angeklagte erwähnte u.a., daß andere an der tat beteiligte wegen irgendeiner körperverletzungssache seiner meinung nach eine unangemessen niedrige strafe erhalten hätten, im vergleich zu seiner strafe. Deshalb sein einspruch gegen den strafbefehl. Naja. Schon vor und auch während der verhandlung selbst erklärte die richterin dann, worum es sich bei dieser körperverletzungsgeschichte handelte: der angeklagte wurde von den besitzern der potentiellen beute ertappt und in der lagerhalle oder was auch immer es war, wo er eingestiegen war, gefesselt und mit stahlseilen geschlagen, bis die polizei kam. Die richterin stellte das dem angeklagten gegenüber in einem sehr „sachlichen“ tonfall fest: „Da wurden Sie ja regelrecht gefoltert, nicht? Da waren Sie bestimmt froh, daß die polizei kam, oder? Und sowas machen Sie bestimmt nicht wieder, bei dem was Ihnen da passiert ist?“ Mir drehte sich dabei emotional der magen um, soviel ignoranz und faktischen zynismus ertrage ich nur schwer. Da sitzt ein mensch, der im zusammenhang mit der betreffenden tat schwer mißhandelt wurde und dabei berechtigterweise um sein leben fürchtete, und dieses blöde strafsystem hat nichts anderes zu tun, als ihn anzuklagen. Und die richterin erdreistet sich noch, ein potentiell traumatisierendes erlebnis als nebenaspekt zu behandeln und so zu tun, als ob der mensch, der da vor ihr sitzt, einfach so darüber reden und ihre dämlichen fragen beantworten könnte. Der angeklagte machte gute miene zum bösen spiel, lächelte höflich und bejahte alles. Die situation erschien mir ungeeignet für emotionale ausbrüche, und ich konnte meine reaktionen glücklicherweise unterdrücken. Das strafmaß wurde herabgesetzt, alle glücklich. Toll.

Nächstes verfahren: ein ex-Stasi-leutnant, der wegen übler nachrede angeklagt wurde. Opfer war K., der chef eines Stasi-museums. Der angeklagte hatte diesen auf seiner homepage mehrere monate lang als volksverhetzer bezeichnet, was im rahmen einer zivilrechtlichen unterlassungsklage aber als zulässig und von der meinungsfreiheit gedeckt eingestuft wurde. Unzulässig dagegen war die in einem späteren offenen brief gemachte äußerung „Wußten Sie übrigens, daß man [K.] ungestraft als Volksverhetzer bezeichnen darf?“ Denn diese frage würde implizit zum ausdruck bringen, daß K. wegen volksverhetzung verurteilt wäre. Tja, das waren juristische feinheiten, die der angeklagte nicht so richtig verstand. Überhaupt erzeugte sein auftreten - leise, nervös, ängstlich, überkorrekt - das bild eines völlig verunsicherten menschen, dessen welt vermutlich zusammengebrochen war. Hätte nicht gedacht, daß ich einmal mitleid mit einem Stasi-leutnant empfinden würde. Aber ich konnte auch einen teil seiner aufgebrachtheit K. gegenüber inhaltlich und politisch nachvollziehen und sogar teilen: Als volksverhetzer hatte er K. bezeichnet, weil K. in einem zeitungsinterview die strafrechtliche verfolgung von NS-unrecht durch die Stasi kommentiert hat mit den worten „Wenn ein verbrecher einen anderen verbrecher umbringt, hat das nichts mit unrechtsbewältigung zu tun.“ Dabei bezog er sich auf ein konkretes verfahren, in dem der jetzige angeklagte an der strafverfolgung eines nazis mitgewirkt hatte. Dieser nazi wurde nach langer beweisaufnahme wegen massenmordes zum tode verurteilt. Daß der angeklagte es ganz und gar nicht lustig fand, aufgrund der formal vergleichsweise korrekten verfolgung von NS-unrecht mit einem nazi und mehrfachen mörder gleichgesetzt zu werden, kann ich gut verstehen. Gehör fand er mit diesem persönlichen motiv aber natürlich nicht. Eher tatbestandlich relevant war dagegen seine darstellung, daß er keine unwahre tatsache verbreiten wollte, daß seine frage „Wußten Sie übrigens...“ nicht in bezug auf eine potentielle verurteilung gemeint war und er also nicht vorsätzlich gehandelt hatte. Aber das glaubte ihm das gericht nicht.

Im schlußplädoyer sprach die verteidigerin von politischen vorurteilen, die das gericht ihrem mandanten gegenüber hegen würde, und eigentlich sei ja ein befangenheitsantrag angezeigt, aber sowas mache sie nicht. Das wunderte mich etwas, weil ich die verhandlung eigentlich als relativ neutral und sachlich empfunden hatte. (Bis auf den kleinen durchhänger der richterin, als die verteidigerin K. als zeugen befragte und dabei mit. „Herr K.“ anredete, woraufhin ihr die richterin ins wort fiel „Doktor K!“. Die reaktion der verteidigerin war ziemlich cool: Sie habe selbst auch einen doktor, und es sei untereinander üblich, sich nicht mit dem titel anzureden.) Jedenfalls bestätigte die richterin die vorbehalte der verteidigerin letztlich in der urteilsbegründung: Darin bezeichnete sie den angeklagten, der natürlich verurteilt wurde, mehrfach als „MfS-kader“. In der pause zwischen dieser und der nächsten verhandlung regte sie sich dem staatsanwalt gegenüber über die politischen einschläge beim schlußplädoyer auf. Da konnte ich es mir dann nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, daß sie mit der verwendung des nicht gerade neutralen begriffs „kader“ ja den eindruck der verteidigerin ein wenig bestätigt habe. Tja, ab diesem punkt war ich aus dem kommunikationszusammenhang raus, ich war keine ansprechpartnerin mehr für sie. Stattdessen fragte sie den staatsanwalt „Ist das Ihre referendarin?“ Und auf die verneinung des staatsanwalts „Ansonsten hätte ich ja gesagt, Sie müssen da noch ein bißchen arbeiten.“ Vermutlich hat sie's so aufgefaßt, als ob ich sie auch tatsächlich als befangen im rechtlichen sinne ansehen würde. Das ist mir schon klar, daß da die voraussetzungen höher hängen. War jedenfalls nicht uninteressant, so eine starke reaktion provoziert zu haben, obwohl ich versucht hatte, mich extra-höflich und -sachlich auszudrücken.

Dritte verhandlung: Endlich mal ein angeklagter, der nicht total schüchtern und verängstigt wirkte. (Ganze zwei von sechs an diesem tag trugen nicht die bezeichnung „armes schwein“ auf der stirn geschrieben.) Es ging um eine einfache körperverletzung gegenüber einem ladendetektiv, strafantrag war nicht gestellt, keine ahnung, woher gericht und staatsanwaltschaft das öffentliche interesse an der strafverfolgung hergenommen haben. Daß sich das so ungefähr wie in der anklage zugetragen hat, glaube ich gerne, daß irgendwem mit einer verurteilung irgendwie geholfen wäre und diese dazu beitragen würde, daß der angeklagte andere verhaltensmöglichkeiten lernt, eher nicht. Aber hauptsache verurteilt.

Und viertens: Ein gebürtiger Jugoslawe, der für einen monat seiner unterhaltspflicht nicht nachgekommen war. Vor der verhandlung hatte die richterin noch mit dem staatsanwalt erörtert, daß ja eine einstellung wegen geringer schuld in frage käme, „mal sehen, was der hier so sagt“. Tja, dummerweise hat er wohl zuviel gesagt. Nicht in bezug auf den tatvorwurf, da war er geständig und reuig und alles was das richterliche herz erfreut. Aber er hat sich, wie so viele angeklagte, erdreistet, seine persönlichen hintergründe zu schildern: was ihn dazu bewegt hat, wie seine situation ist usw., daß ihm gekündigt wurde, er die abfindung erst deutlich später bekommen hatte und deswegen den unterhalt nicht gezahlt hatte. Daß er sehr darunter leidet, seine kinder so selten zu sehen. Daß er sich nach dem verlust der elterlichen sorge und des arbeitsplatzes unnütz vorkommt. „Sie mögen lachen, aber das ist so.“Aber daß er Deutschland liebt und ganz viel über deutsche geschichte weiß. Aber nun ja, die richterin wollte natürlich keine persönlichen stories hören, es nervte sie vermutlich ungemein. Von der einstellung des verfahrens war dann keine rede mehr, es kam irgendwas um die 30 tagessätze heraus. Zusammenfassung: Die institutionalisierte autorität der strafverfolgungsorgane baut erstmal eine drohkulisse auf, die so stark ist, daß sich ein individuum völlig kleinmacht und 150-prozentigen gehorsam erklärt. Und dann werden diese gesten der unterwürfigkeit noch bestraft, wenn sie nicht den geschmack der autorität treffen.

A propos tagessätze. Das erweckt ja den anschein einer gerechten, weil proportional zum einkommen stehenden bestrafung: Die höhe des tagessatzes entspricht 1/30 des monatlichen einkommens. Unberücksichtigt dabei bleibt, daß jemand mit einem monatsverdienst von 5.000 Euro mit einiger wahrscheinlichkeit ein entsprechendes sparkonto hat und daher 30 tagessätze, ergo 5.000 Euro, ohne weiteres zahlen kann. Für jemanden mit 800 Euro monatlich hingegen sieht das ganz anders aus, für ihn/sie bedeutet selbst eine ratenzahlung eine empfindliche einschränkung des lebensstandards. Aber tagessätze können ja auch abgearbeitet oder abgesessen werden...

Übrigens werden auch sozialleistungen als einkommen angerechnet, und auch die übernahme der miete. Ergo haben Hartz IV-empfängerInnen ein einkommen zwischen 800 und 900 Euro und kriegen üblicherweise tagessätze in höhe von 20 Euro. Was noch gnädig ist, denn das Kammergericht Berlin hat entschieden, daß auch 30 Euro festgesetzt werden könnten, doch, wirklich. Als ich zu dieser frage nochmal ins gesetz guckte, fiel mir eine perfide und dogmatisch sehr unsaubere sache auf: dort wird als unterster tagessatz 1 Euro festgeschrieben. Wenn aber selbst bei sozialhilfeempfängerInnen in der praxis 20 Euro festgesetzt werden, wird der gesetzliche rahmen nach unten ja gar nicht ausgeschöpft. Wozu steht denn ein mindestsatz da, wenn er noch nicht mal auf sozialhilfeempfängerInnen anwendbar ist? dachte ich mir. Doch, oh wunder, selbst zu dieser feinsinnigen frage weiß der standard-kommentar eine antwort: „Mehr als die Differenz zwischen tatsächlich gewährten Sozialleistungen und dem unerlässlichen Lebensbedarf kann einem Sozialhilfeempfänger nicht genommen werden [...]; freilich kann nur ausnahmsweise (etwa bei Untergebrachten, Strafgefangenen, Asylbewerbern oder in Abschiebehaft Befindlichen [...]) der Mindestsatz von 1 Euro in Betracht kommen.“ (Tröndle/Fischer, 53. Aufl., § 40 Rn 11.) Danke für soviel unerkannten zynismus im verhältnis zu all den einsperreinrichtungen, die diese gesellschaft so zu bieten hat!

Zurück zum verhandlungstag und zum fünften und letzten verfahren: ein einbruchsdiebstahl, begangen von zwei jungen männern. Einer davon ex-junkie, auf methadon, natürlich langzeitarbeitslos, zwei kinder, eine latte von vorstrafen, liegen aber alle mehr als sechs jahre zurück. Die richterin macht ihm erstmal vorwürfe, wieso er denn keine arbeit finde, vor allem wo jetzt doch die konjunktur brummt. Klar, die arbeitsplätze liegen ja nur so auf der straße, die sind halt nur alle zu faul. Zur tat befragt, gestehen beide den diebstahl von – festhalten – altmetall, welches auf einem halb-abgerissenen fabrikgelände 'rumlag. Aber wie es angeklagte so an sich haben, sind beide so dreist, doch tatsächlich ein paar aspekte zu ihren gunsten anbringen zu wollen. Z.b. daß sie dachten, das zeug gehöre niemandem mehr, und daß sie den zaun zu dem gelände nicht aufgebrochen hätten, sondern durch eine lücke eingestiegen wären. Daß sie einfach nicht dachten, etwas verbotenes zu tun. Insbesondere dem eingeschüchterten ex-junkie schien es für sein selbstwertgefühl wichtig zu sein, nicht wieder in die schublade des wiederholungstäters einsortiert zu werden. „Schauen Sie sich mein vorstrafenregister an, ich habe damals ganz andere sachen gemacht.“ Nein, daß war nicht selbstgefällig geäußert, sondern tatsächlich verzweifelt bemüht um eine distanzierung. Mit allem, was er sagte, bettelte er geradezu darum, ein kleines bißchen anerkennung zu bekommen dafür – daß er seit sieben jahren clean ist, keinen strafrechtlich relevanten mist mehr gebaut hat, sich von seiner früheren gang (raub etc.) im Wedding entfernt hat etc. Und daß er ab jetzt bestimmt gar nix verbotenes mehr machen würde, auch nicht bei rot über die ampel gehen. Die richterin zeigte sich davon unbeeindruckt und fragte ihn, warum er denn denke, daß seine „kriminelle karriere“ ab heute beendet sei. Zurück in die schublade, und fertig. Kein fünkchen kenntnisnahme davon, daß dieser mensch tatsächlich eine ganze menge in seinem leben verändert hat. Diese menschliche ignoranz schien ihn wirklich 'runterzureißen, seine eingeschüchtertheit und verletztheit wirkten absolut nicht gespielt. Also strafrecht wie es im buche steht: Ein mensch, der aus einer sozial schwachen familie kommt und dessen eltern sich nicht sonderlich um ihn kümmern, baut etwas mist und wird von da an nur noch behandelt wie ein versager. Und jedes bißchen positive anerkennung wird ihm verweigert, er wird immer wieder zurückgeschubst in die kategorie der unnützen menschen. Immer nochmal draufhauen, ihm seine unfähigkeit vor augen führen, dann lernt er hoffentlich nochmal was draus. (Ach ja, bei der festnahme direkt bei der tat war ein bißchen ausgetickt, hatte die polizisten angeschrien, daß sie ihn schlagen sollten, und in ermangelung dessen seinen kopf gegen das polizeiauto geschlagen. Dafür war er in einem anderen verfahren wegen sachbeschädigung – an dem polizeiauto – verurteilt worden.)

Das konnte ich so nicht mit ansehen, ich fühlte mich schon schuldig genug, stumm an diesem menschlichen trauerspiel teilzunehmen. Die richterin ging von der urteilsbegründung allmählich in allgemeine gut gemeinte ratschläge über: Er solle sich doch endlich eine arbeit suchen, daß sei ja für die kinder nicht gut, den vater immer zu hause 'rumhängen zu sehen usw. Klar, sag ihm nochmal ganz deutlich, daß er nicht nur ein langzeitkrimineller, sondern auch noch ein schlechter vater ist, das wird ihm bestimmt total helfen, das nötige selbstbewußtsein für einen job zu finden, so klein und selbstunsicher, wie er schon ist. Jedenfalls riß ich dann irgendwann das wort an mich, sprach ihn direkt an und sagte, daß ich es toll fände, daß er schon so lange clean ist und nicht mehr die harten straftaten von früher begeht, und daß das meiner meinung nach anerkennung verdient. Ist ja egal, ob jetzt alles oder nur die hälfte dieser story stimmt, jedenfalls hätte er das nicht so erzählt, wenn er nicht ein bißchen anerkennung gebraucht hätte, und er wirkte ernsthaft dankbar. Die reaktion der richterin war umgekehrt, ich bin selten so böse angeguckt worden wie von ihr. Ich hatte ihr ihre strafpredigt versaut.

Auf den ersten blick konnte ich mir dieses verhalten der richterin kaum anders als mit freude an der autorität und an schmerzzufügung erklären. Aber vermutlich glaubt sie wirklich daran, der menschheit und vielleicht sogar den angeklagten auf diese weise etwas gutes zu tun. Ich möchte nicht wissen, wie die frau erzogen worden ist. Von dem begriff „positive sanktionierung“ hat sie garantiert noch nichts gehört, oder sie weigert sich standhaft anzuerkennen, daß positive reaktionen auf positives verhalten eben siebenmal wirksamer sind als negative auf negatives, und daß also auch individuelle veränderungen in die richtige richtung positiv anerkannt werden müssen. Das hinter dem strafrechtsgedanken stehende menschenbild „Ich muß den menschen etwas schlechtes zufügen, sonst werden sie keine guten menschen. Erziehung muß wehtun.“ finde ich ganz extrem gruselig. Und die tatsache, daß es strafrichterInnen gibt, die das so sehr verinnerlicht haben, daß sie einem angeklagten kaum ein gutes wort gönnen, ist noch beängstigender.

Daß richterInnen und staatsanwältInnen ganz viel supervision bräuchten, um überhaupt annähernd mit ihrem arbeitsalltag klarzukommen und sonst viele nicht davon abstrahieren können und sich vom regelwidrigen verhalten anderer persönlich angegriffen fühlen, hat auch eine andere dozentin im einführungslehrgang, eine richterin, gezeigt. Sie lieferte eine ganz bemerkenswerte interpretation der struktur des strafrechts lieferte, indem sie von „querulatorischen angeklagten“ sprach. Ich hielt mich zurück und wies sie nicht darauf hin, daß die angeklagten ja nicht im engeren sinne freiwillig vor gericht sind, also das gericht nicht mutwillig mit ihren anträgen etc. behelligten, und daß SIE es offensichtlich ist, die ihre rolle verkennt, wenn sie mit verteidigungshandlungen ein problem hat.

Egal, das gehört doch alles abgeschafft. Und durch ein sinnvolleres reaktionssystem ersetzt. Usw.

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Freitag, September 21, 2007

Erneut Studiengebührengesetz in Karlsruhe vorgelegt

Das Verwaltungsgericht Bremen hat mit Beschluss vom 17. September 2007 Teile des Bremer Studienkontengesetzes nach Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Das VG hält § 6 Satz 1 BrStudKontG (Bremisches Studienkontengesetz) für verfassungswidrig, wonach Studierende an den staatlichen Hochschulen des Bundeslandes Bremen, die ihr so genanntes Studienguthaben verbraucht haben, zur Zahlung von Studiengebühren in Höhe von 500 Euro für jedes Semester herangezogen werden. Die Höhe des den Studierenden eingeräumten Guthabens ist davon abhängig, ob sie ihren Hauptwohnsitz innerhalb oder außerhalb von Bremen haben.

Die Kläger, die ihren Wohnsitz in Niedersachsen haben, rügen, dass sie nach den einschlägigen Regelungen des Bremischen Studienkontengesetzes wegen ihres Wohnsitzes bereits ab dem dritten Semester einer Gebührenpflicht von 500 Euro je Semester unterliegen, während den im Bundesland Bremen wohnhaften Studierenden ein gebührenfreies Studium im Umfang von 14 Semestern ermöglicht werde.

Das Gericht sieht in der gebührenrechtlichen Ungleichbehandlung einen rechtswidrigen Eingriff in die durch Art. 11 GG gewährleistete Freizügigkeit der auswärtigen Studierenden. Außerdem sei die ungleiche Behandlung nicht durch hinreichend sachgerechte Gründe gerechtfertigt, wie es die Ausbildungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlange.

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Donnerstag, September 20, 2007

*VDAHILNIG [ENTER]

Die Berliner Justizsenatorin, Gisela von der Aue kriegt gerade wieder von (fast) allen Seiten Dresche. Der Anlass: Das Kammergericht hat drei (nicht rechtskräftig) verurteilte Kokainschmuggler aus der Untersuchungshaft entlassen, weil deren Aufrechterhaltung wegen dem Staat zuzrechnender vermeidbarer Verfahrensverzögerung unzumutbar sei. Sie waren im September 2006 verurteilt worden und hatten Revision eingelegt. Siehe auch Bericht der Abendschau.

Weil das Gericht einige Monate zum Abfassen des Urteils brauchte, hatte die Staatsanwaltschaft erst Ende Juni 2007 die Akten zur Verfügung, um sie dem Bundesgerichtshof (BGH) zuzuleiten, berichtet der Tagesspiegel. Zunächst klang das noch anders. Da war die Rede davon, dass die Staatsanwaltschaft die Akten zunächst noch für Vollstreckungs- und Kostenangelegenheiten zurückbehielt und erst nach deren Erledigung an den BGH sandte.

Insoweit verständlich, wenn von der Aue in diesem Fall unter Hinweis auf die richterliche Unabhängigkeit nicht mehr anbieten kann, als mit den Gerichten zu reden.

Der Opposition dagegen hat die Phrasendreschmaschine angeschmissen: "Von der Aue hat ihren Laden nicht im Griff." Wahrscheinlich haben die Pressestellen der Fraktionen in ihren Textverarbeitungsprogrammen schon einen entsprechenden Textbaustein angelegt: [Rechtspolitischer Sprecher] sagt: *VDAHILNIG ENTER

Anstatt über die strukturellen Ursachen zu reden, also die politisch gewollte chronische Unterfinanzierung des Staates, die dann auch mal zu der Frage führen könnte, inwieweit der Strafvollzug - mal ganz unabhängig von seiner grundsätzlichen Eignung - unter diesen Bedingungen überhaupt noch seinen gesetzlichen Resozialisierungsauftrag erfüllen kann, schießen sie sich auf die Justizsenatorin ein.

Einen "Erfolg" scheint es ja zu geben: Die Berliner Justiz soll die "elektronische Akte" bekommen. Das wird wenigstens die Berliner AnwältInnen (oder deren ReNo's) freuen. Im nächsten Großverfahren müssen dann nicht 13 Leitz-Ordner TKÜ-Protokolle zur Akteneinsicht in die Kanzlei geschleppt und dort kopiert oder eingescannt werden. Stattdessen gibt es einen handlichen Datenträger per Post "zum Verbleib". Wer schon mal in Moabit eine Akte abgeholt hat, wird den Fortschritt bejahen. Dort sind die MitarbeiterInnen auf den Geschäftsstellen in Kabuffs eingesperrt, die mit Regalen bis an die Decke vollgestopft sind. In diesen Regalen liegen (sic!) hunderte von Akten - wahrscheinlich nach derselben "Systematik", nach der auch die Raumnummern vergeben sind. Nennt nun ein/e Akteneinsichtsbegehrende/r das Aktenzeichen, geht die Mitarbeiterin zu einem Regal und zieht mit einem kräftigen Ruck die zweit- oder drittunterste Akte (es ist komischerweise immer die
zweit- oder drittunterste) heraus ohne dabei von dem restlichen Stapel unter sich begraben zu werden.

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Mittwoch, September 19, 2007

Gelebte Misanthropie. Berichte aus der Staatsanwaltschaftsstation - I

Ouverture (Moderato)

Vorbei! Ich habe die staatsanwaltschaftsstation im referendariat überlebt. Hm, ja, gut, das war vorherzusehen, das mit dem überleben. Und es gibt mit sicherheit leute, die stärker unter der staatsanwaltschaft leiden als referendarInnen, zum beispiel die größtenteils aus „bildungsfernen schichten“ stammenden angeklagten – ob sie nun im knast landen oder einfach nur in einem für sie völlig unverständlichen verfahren, in dem sie sich nicht artikulieren können, zum gegenstand abgehobener machtansprüche gemacht werden. Aber auch dieses menschlich ignorante prozedere einfach mitansehen zu müssen, war nicht leicht, geschweige denn sich permanent zu überlegen, wann wo wem gegenüber wieviel kritik sinnvoll 'rübergebracht werden kann. Denn einfach den kopf einziehen und so unauffällig wie möglich durchkommen, das konnte ich mir nicht vorstellen, und vor allem wollte ich mich selbst auch nicht zu dieser art gehorsamen mitspielens erziehen. Im ergebnis habe ich jetzt ein erfreuliches „Mangelhaft“ in meinem stationszeugnis. Nö, das finde ich nicht schlimm. Ich lasse es mir gerne offiziell bestätigen, daß ich für diesen grundlegend autoritär-menschenunfreundlichen job wenig geeignet bin, soviel selbstzufriedenheit sei mir erlaubt. Bei all der frustration, die diese arbeitsstelle bedeutete.

Die dazugehörige entstehungsgeschichte und sonstige anekdötchen kommen ab jetzt hier, als retrospektive.


I - Wie alles anfing (Andante)

Die ausgangsbedingungen waren eigentlich gut: Ich hatte mir von einer linken rechtsanwältin eine „nette“ staatsanwältin als persönliche ausbilderin empfehlen lassen, und Frau H. entpuppte sich tatsächlich beim ersten treffen als eine recht angenehme, nicht konservativ-autoritäre person. Und mit dem Sappho-poster an der wand outete sie sich auch als emanze oder schlimmeres. Mein AG-leiter, oberstaatsanwalt XY., schien auch sehr okay und locker zu sein und sogar grenzen der legitimen staatsanwaltlichen machtausübung zu kennen. So jedenfalls mein flüchtiger eindruck aus der ersten AG-sitzung, in der er sich u.a. entschieden gegen die kronzeugenregelung aussprach. Danach ging es für mich ja erstmal nach Heiligendamm zum G8-gipfel bzw. zum protest dagegen. Zurückgekommen fragten mich meine AG-kollegInnen, denen ich vom grund meiner abwesenheit erzählt hatte, wie ich das mit der anwesenheitspflicht während des einführungskurses gemacht hätte, ob ich sonderurlaub beantragt hätte oder was. Auf meine antwort, ich hätte halt einfach unentschuldigt gefehlt (urlaub nehmen kann mensch nicht während der einführungskurse), sagten mir mehrere, daß S. das bestimmt nicht so eng sehen würde und ich doch bei ihm nachfragen solle, ob ich mich in der anwesenheitsliste nachtragen könne. Lustige idee, das. Ich hatte ja tatsächlich schon bei der ersten sitzung – als er angedeutet hatte, daß er die anwesenheitslisten nicht so penibel führen würde – kurz überlegt, ob ich mich traue. Aber: im einführungslehrgang, und dann gleich vier AG-termine! Und überhaupt: G8-protest. Ich kann doch dem oberstaatsanwalt nicht von meinen dubiosen politischen aktivitäten berichten! Naja, nach ansicht meiner AG-kollegInnen vielleicht doch. Und allein weil ich über diese einschätzung so verblüfft war und es spannend fand, an den eigenen feindbildern zu rütteln, wollte ich es probieren. Hab' ihm also gemailt, so von wegen „Wahrnehmung meiner staatsbürgerlichen Rechte“ und so. Seine reaktion darauf war den versuch tatsächlich wert: Er fragte nämlich, warum ich das denn nicht vorher gleich gesagt hätte, er hätte doch hinreichend deutlich gemacht, daß ihm die anwesenheitspflicht eher egal sei. „Sie sind ja schließlich alle erwachsene Menschen.“ Aber leider war die anwesenheitsliste schon wieder beim Kammergericht. „Und ob Sie da dann hehre Ziele hatten oder nicht, ist mir im Zweifelsfall auch egal.“ Es wirkte ernst gemeint.

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Nächsten Samstag schon was vor?

Hingucken!


Link: sevenload.com

Hingehen!

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Montag, September 17, 2007

Bundeswehrverband ruft zur Befehlsverweigerung auf

Der erneute Vorstoß des Verteidigungsministers zum Abschuss entführter Flugzeuge hatte massive Proteste ausgelöst. Der Deutsche Bundeswehrverband und der Verband der Jetpiloten riefen die betroffenen Piloten dazu auf, sich den Vorgaben des Ministeriums zu widersetzen.

Quelle: NetZeitung

Der Verband der Jetpiloten in der Bundeswehr hat scharfe Kritik an der Ankündigung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) geübt, ein für einen Terroranschlag entführtes Passagierflugzeug notfalls auch ohne gesetzliche Grundlage abschießen zu lassen. Eine solche Anweisung käme einer «Aufforderung zur Erfüllung eines rechtswidrigen Befehls gleich», sagte Thomas Wassmann, Vorsitzender des Verbandes der Besatzungen strahlgetriebener Kampfflugzeuge der Bundeswehr, der «Leipziger Volkszeitung».

«Ich kann den Piloten nur empfehlen, in einem solchen Fall dem Befehl des Ministers nicht zu folgen.» Piloten, die sich so verhielten, könnten «mit der vollen Solidarität des Verbandes» rechnen, betonte dagegen Wassmann weiter. Er empfinde es «als merkwürdig, dass ein Minister nicht in der Lage ist, trotz aller seiner Parteibeziehungen in den zuständigen Gremien eine Entscheidung herbeizuführen, um eine rechtlich saubere Klärung in der Sache zu organisieren».

«Stattdessen benutzt man die Piloten als Mittel zum Zweck, indem man sie öffentlich in Bedrängnis bringt, um dadurch die Diskussion voranzutreiben, die man selbst nicht klären kann», kritisierte der Verbandschef. Das sei merkwürdige Form von Politik. Er gehe davon aus, «dass Herr Jung die Piloten ähnlich wie mich völlig überrascht hat mit seiner öffentlichen Festlegung».

Die Debatte habe eigentlich zunächst als beendet gegolten, nachdem das Bundesverfassungsgericht einen klaren Schlussstrich gezogen habe. Dazu habe es auch klare Dienstanweisungen für die Piloten gegeben. Wassmann appellierte an die Piloten, sich nicht zum Spielball machen zu lassen. «Ich kann nur jedem Piloten raten, sich im Zweifelsfall so zu verhalten, dass es nicht zu einer Situation kommt, in der der Minister die politische Verantwortung übernimmt und der Pilot ins Gefängnis wandert.»

Das Verteidigungsministerium sieht dagegen keine Möglichkeit, den Befehl zu verweigern: Es seien Situationen denkbar, die eine Berufung auf den übergesetzlichen Notstand ermöglichten und erforderten, sagte ein Ministeriumssprecher. Das sei verfassungsrechtlich anerkannt, solange es keine klare Regelung im Grundgesetz gebe. Auf die Frage, ob Piloten den Befehl nicht verweigern dürften, sagte er, wenn es einen übergesetzlichen Notstand gebe und ein entsprechender Befehl erteilt würde, wäre das richtig.


Der/die kundige Sondervotum-LeserIn bemerkt sofort: Die Frage wurde nicht beantwortet. Daher als kleine Rechtshilfe für AbfangjägerpilotInnen: Ein mit einem übergesetzlichen Notstand begründeter Befehl kann verweigert werden. Da die übergesetzliche Notstandshandlung keine Rechtfertigung findet, sondern allenfalls entschuldigt werden kann, ist der/die SoldatIn sogar remonstrationspflichtig. Denn ein offensichtlich rechtswidriger Befehl darf nicht befolgt werden.


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Unsere täglich' Presseschau gib uns heute

Wenigstens Waffengleichheit

Fehlender Orientierungssinn oder nachtblind? Über zwei Häschen in der Grube berichtet die Polizeipressestelle:
Polizist und „Vespa“-Fahrer in Baugrube gefallen

Ein Zivilbeamter und ein „Vespa“-Fahrer sind heute früh in eine Baugrube gefallen und wurden leicht verletzt. Einer Zivilstreife war der Rollerfahrer gegen 1 Uhr 15 in der Warschauer Straße in Friedrichshain ohne Licht aufgefallen. Als die Beamten ihn überprüfen wollten, flüchtete er zunächst in eine Sackgasse, wo er den Roller hinwarf und in eine Grünanlage lief. Hier war ein Zivilbeamter dem 27-Jährigen aus Mitte bereits dicht auf den Fersen. Hinter einer Hecke befand sich allerdings eine nicht zu erkennende, zwei Meter tiefe Baugrube, in die sie beide stürzten. Erst durch die herbeigerufene Feuerwehr wurden sie aus der Baugrube befreit und mussten zur ambulanten Behandlung in Krankenhäuser gebracht werden. Grund für die Flucht war offensichtlich das Fehlen des Führerscheines und übermäßiger Alkoholgenuss.

Ich hab'n Attest

Über ein Gutachten im Auftrag der Länderverkehrsminister, nach dem die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn in der vorgesehenen Form verfassungswidrig sei, berichtet tagesschau.de. Die Antwort des Bundesverkehrsministers:
Zu dem Vorwurf, der vorgelegte Gesetzentwurf entspreche nicht dem Grundgesetz, sagte Tiefensee lediglich, dass die Verfassungsressorts Inneres und Justiz dem vom Kabinett gebilligten Entwurf die Verfassungsmäßigkeit attestiert hätten.
Na dann ist ja alles in Ordnung. Fragt sich nur, wozu diese 16 Damen und Herren jeden Morgen früh aufstehen.



Volle Pulle Mehrwertsteuer

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg überrascht uns mit der bahnbrechenden Erkenntnis: "Krankenhaus-Caterer ist kein Partyservice". (Wer es nicht glaubt, siehe hier via dort.). Die Richtigkeit dieses Ergebnisses lässt sich empirisch bestätigen: Wer im Krankenhaus liegt, tanzt nicht gerade Polonaise.
Hintergrund der Entscheidung ist, dass ein Partyservice lediglich dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % anstelle der vollen 19 % unterliegt. Denn, so das Finanzgericht,
der ermäßigte Steuersatz komme zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige Lebensmittel liefert, ohne wesentliche weitere Dienstleistungen zu erbringen, als z. B. beim Verkauf im Supermarkt oder bei der bloßen Anlieferung von vom Kunden ausgesuchten Speisen durch einen Party-Service. Die Lieferung von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle, wie sie typischerweise von Restaurants angeboten wird, unterliegt hingegen dem vollen Umsatzsteuersatz von 19 %. Nach Ansicht des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg ist ein Krankenhaus-Caterer der zweiten Gruppe zuzuordnen (Urteil vom 10. Juli 2007, Aktenzeichen: 5 K 7285/01 B).

Schlüssig erscheint diese Begründung schon, nur stellt sich die Frage nach dem Sinn der Steuersatzermäßigung. Dient doch die - wenn auch kommerziell betriebene - Versorgung Kranker mit Essen wenigstens mittelbar einem guten Zweck. Ein Partyservice ist da eher nicht so existentiell notwendig, als dass er an der Steuerermäßigung für Lebensmittel profitieren müsste. Also wieso 7 % auf Käsespießchen, aber nicht auf Suppe aus der Schnabeltasse?

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Eine kleine Weltreise

Zu einer der ersten Berlin-Erfahrungen von Zugezogenen gehört die Erkenntnis, dass Berlin - anders als andere Auch-Großstädte, erst recht als beschauliche Universitätsstädtchen - recht weitläufig ist. Da verschlägt es Eine/n mitunter in Gegenden, die auch eingeborene BerlinerInnen nie zuvor in ihrem Leben betreten haben oder werden. Das merkt man spätestens dann, wenn man auf die Frage nach der X-Straße oder dem Y-Platz von UrberlinerInnen ein wortloses Schulterzucken oder ein herzliches "Weeß ick nich, bin nich von hier." erntet. Mein Großvater pflegte immer zu sagen, Berlin besteht aus mehreren kleinen Dörfern. Daher rührt auch der bisweilen provinzielle Charakter der BerlinerInnen, trotz Metropolenarroganz.

So begab es sich, dass für die Aufnahme ins Referendariat noch mehrere Behördengänge zu erledigen waren (damit hätten wir den Jura-Bezug hergestellt). Für die Beantragung des Führungszeugnisses suchten "wir" das Bürgeramt Wedding auf und wurden mit einem Blick auf Glanz und Elend des sozialdemokratischen Gemeindebauwesens belohnt. Der Bauhausfetischist durfte sich am Anblick des 1928-1930 im Stil der Neuen Sachlichkeit erbauten Rathauses Wedding erfreuen, um sogleich durch einen potthässlichen Sechzigerjahre-Ergänzungsbau in Depressivgrau enttäuscht zu werden. Im Wartesaal des Bürgeramt konnte dann gleich noch die gute Tat für diesen Tag abgestaubt werden, indem wir einer Frau mit polnischem Migrationshintergrund beim Ausfüllen des Meldeformulars halfen: "Äh, die fragen hier nach ihrer Religionszugehörigkeit." (Leicht empört:) "Römisch-katholisch." (Oh, Entschuldigung! wie konnte ich das nur infragestellen?)

Interessant für den soziosensiblen Betrachter war auch das "Straßenbild". Auffällig ist die hohe RentnerInnendichte, an deren Kleidung man auch deren kleinbißchen Rente ablesen kann. Wäre da nicht die wuselige Müllerstraße, wähnte man sich in einer ostdeutschen Kleinstadt mit Demografieproblem. Im Gegensatz zum Klischee war die Gegend keineswegs ein "hartes Pflaster". Artig wird die Kippe in den kleinen Straßenaschenbecher (der kleine Kuller links oder rechts in der Mülleimeröffnung) geworfen und höflich hilft der ältere Herr mit türkischem Migrationshintergrund der etwas kleineren Omi im Woolworth ("Könn'se mir ma bitte die Feuerzeuge da runterholen? Nee, die zweeten von rechts.")

Der zweite Halt in unserer Berlintournee war ein bürgerlicher Bezirk im tiefsten Westberlin, wo die Straßen und Plätze nach staatlichen Zwangsanstalten, den verlorenen Ostgebieten oder Ermächtigungsgesetzzustimmern heißen. Eine Flamme mahnt uns mit "Nie wieder Vertreibung". "Nie wieder Krieg" würde ja auch am Opferstatus rütteln.

Ganz zur Bestätigung unserer Vorurteile waren die BehördenmitarbeiterInnen hier zwar nicht im Ton, aber bürgerunfreundlich: "Guten Tag, ich brauche eine ...bescheinigung, n' Formular (*vorzeig*) hab' ich schon." Wie, haben sie schon, Sie wollen eine ...bescheinigung und haben schon ein Formular? Das geht doch gar nicht." Dass es doch geht wird in Form des Formulars eingehend bestaunt. Und auch bei der nächsten Stelle wünscht man sich ein ein ganz klitzekleines bißchen den Autoritarismus des preußisch-deutschen Kaiserreichs oder der DDR zurück: Da, andere Behörde will, dass ihr das ausfüllt. Nicht lange fragen, machen! Nee, stattdessen müssen wir unsere (Nicht-)Erwerbsbiografie nacherzählen und eine kurze EInführung in den Ablauf der JuristInnenausbildung ("Und was sind'se jetzt?") und die Rechtsnatur des Referendariats ("Is' das 'ne Ausbildung?") geben. Aber das haben wir auch überlebt.

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Kluges Wort zum Sonntag

Intelligenz im täglichen Leben

Ganz große Leistung: Fast einen abbrechen beim Versuch, die Flasche aufzudrehen, um erst nach dem vierten gescheiterten Versuch zu merken, dass da gar kein Drehverschluss mehr drauf ist. Das kommt davon, wenn man den Blick nicht vom Bildschirm abwenden kann.

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Donnerstag, September 06, 2007

Friseurtipps von der FAZ

Die Generalbundesanwältin verteidigt Deutschland am Hindukusch schützt Deutschland vor bösen Terroristen Terrorverdächtigen und die FAZ macht Altherrenwitze über ihre Frisur.


Hat sich eigentlich schon mal jemand über die Matte von Bundesanwalt Rainer Griesbaum lustig gemacht?



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