Sonntag, November 23, 2014

Eins zu eins Betreuung durch die Polizei

Beobachtung der Silvio-Meier-Demo am 22. November 2014


Am Samstag, 22.11.2014, fand in Berlin Friedrichshain und Kreuzberg die alljährliche antifaschistische Silvio-Meier-Demo statt. Wie schon in den letzten Jahren führte der akj-berlin mit 18 Beobachter_innen eine Demonstrationsbeobachtung durch. Die Demonstration begann am U-Bahnhof Samariter Straße, ging dann durch den Friedrichshainer Kiez auf der Warschauer Straße nach Kreuzberg, wo sie am Lausitzer Platz von den Veranstalter_innen vorzeitig beendet wurde.

Aufgrund der erfolgreichen Blockaden, die am selber Nachmittag in Marzahn gegen eine rassistische Demonstration stattfanden, waren besonders viele Polizeikräfte in Berlin zusammengezogen worden. Unter anderem Beamt_innen aus Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg sowie Einheiten der Bundespolizei. Nach Polizeiangaben waren im Laufe des Tages 1.700 Beamt_innen im Einsatz, von denen ein Großteil auch bei der Silvio-Meier-Demo zugegen war. Dieses massive Polizeiaufgebot mit Spalierlaufen führte dazu, dass insbesondere zum Ende der Demonstration Anliegen und Botschaften der Demonstrierenden nicht mehr wahrnehmbar waren. Das Polizeiaufgebot stand in keinem Verhältnis zum Verlauf der Demonstration und trug zu Situationen bei, die für alle Beteiligten gefährlich waren.

Die Demonstration begann, nachdem zahlreiche Teilnehmer_innen, die aus Marzahn zurückgekommen waren, hinzustießen, mit einiger Verspätung gegen 19:15 Uhr. Lautstark, kraftvoll und entschlossen zog sie mit ca. 1.200 Teilnehmer_innen los, denen sich im Laufe der Demo noch weitere anschlossen. Sie wurde mit Leuchtfeuer und -raketen von den umliegenden Dächern begrüßt. Auch aus dem Demozug heraus wurde Pyrotechnik gezündet. Zu diesem Zeitpunkt begleitete die Polizei den Zug lediglich an der Spitze und am Ende.

Dies änderte sich am Bersarinplatz, als links und rechts der Demospitze Einheiten der Bundes- und Berliner Polizei mit ca. 150 behelmten Beamt_innen dicht an den Transparenten Spalier liefen. Wiederholt wurde in die Demonstration hinein gefilmt. Insbesondere das Verhalten der Bundespolizei war durch Aggressivität geprägt. Hier kam es zu den ersten zwei Festnahmen aus der Versammlung, die die Polizei mit Verstößen gegen das Vermummungsverbot rechtfertigte. Ob dieser Vorwurf angesichts der niedrigen Temperaturen und des einsetzenden Regens trägt, lässt sich schwer beurteilen.

Ab der Warschauer Straße verstärkten sich die Polizeiketten und liefen sowohl rechts und links vom als auch mitten im Demonstrationszug. Besonders brenzlig wurde die Situation auf der Oberbaumbrücke, als die Polizei zunächst Transparente entriss, überraschend aus nächster Nähe Pfefferspray einsetzte und später auch Festnahmen durchführte. Es entstand eine unübersichtliche und gedrängten Situation, die Teilnehmer_innen wegen der fehlenden Ausweichmöglichkeit erheblich gefährdete.

Auf der Kreuzberger Seite standen weitere Hundertschaften aus Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein bereit, die kein klares Einsatzkonzept zu verfolgen schienen, sondern kreuz und quer durch den Demonstrationszug rannten. Dies führte zu der absurden Situation, dass die Anzahl der eingesetzten Beamt_innen die der Teilnehmer_innen fast überstieg. Damit war ein grundsätzlich „staatsfreies“ (BVerfGE69, 315, Rn. 65) und selbstbestimmtes Demonstrieren unmöglich. So wurde die Demonstration vorzeitig am Lausitzer Platz von den Veranstalter_innen beendet. Insgesamt wurden fünf Festnahmen und zwei Identitätsfeststellungen beobachtet.

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Freitag, November 07, 2014

JVA-Leitung Tegel behindert gewerkschaftliche Tätigkeit

JVA-Leitung Tegel verhindert Workshop-Teilnahme und Interview mit inhaftiertem Gewerkschafter

Pressemitteilung des akj-berlin vom 7. November 2014


Herrn Mehmet Aykol, Rechtsreferent und Protokollführer der neu gegründeten „Gefangenengewerkschaft“ (GG/BO), wird die Teilnahme als Referent bei den 3. Berliner Gefangenentagen an der Humboldt-Universität zu Berlin durch die Justiz­vollzugsanstalt Tegel nicht ermöglicht. Selbst das wiederholte Ersuchen, den Inhaf­tierten zu interviewen, wird durch die Anstaltsleitung ignoriert. Bis heute, einen Tag vor Veranstaltung, war die JVA-Leitung bzw. ihr Pressesprecher nicht in der Lage, in der Sache eine Entscheidung zu treffen und diese mitzuteilen.

Der akj-berlin (arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin) veranstaltet am Samstag den 8. November 2014 einen Workshop zu dem Thema „Koalitionsfreiheit hin­ter Gittern – Arbeit und gewerkschaftliche Organisation unter den Bedingungen des Strafvollzugs“. Die­ser Workshop ist Teil der 3. Berliner Gefangenentage unter dem Titel: „Knast ist Knast? Vollzugsgrund­sätze – mehr als eine Absichtserklärung!“, die vom Arbeitskreis Strafvollzug der Vereinigung Berliner Strafverteidiger und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) in Kooperation mit dem akj-berlin vom 7.–8. November 2014 an der Humboldt-Universität zu Berlin organisiert werden.


In Vorbereitung des Workshops ersuchte Herr Aykol bei der JVA-Leitung um Ausgang. Diese teilte ihm mit, dass an betreffendem Wochenende kein begleiteter Ausgang erfolgen werde. Eine nähere Begrün­dung oder Erklärung, warum dies nicht möglich sei, wurde nicht gegeben. Daraufhin bat der akj-berlin bei der Leitung, dem Teilanstaltsleiter und der Pressestelle schriftlich um die Möglichkeit eines Be­suchs zum Zwecke eines Interviews. Seither wurde immer wieder und anhaltend versucht, die JVA in der Sache wenigstens telefonisch zu sprechen. Verantwortlich sei der Pressesprecher Herr Hoffmann, heißt es dort. Dieser ist jedoch dauerhaft nicht erreichbar.
Stefanie Richter, Pressesprecherin des akj-berlin stellt fest: „Die Entscheidung wird schlicht ausgesessen – wie so vieles im Strafvollzug. Und das zu Lasten der Grundrechte von Gefangenen und dem Informati­onsanspruch der Öffentlichkeit.“
Ziel des Workshops sollte es sein, Vertreter der neu gegründeten „Gefangenengewerkschaft“ (GG) mit Ju­rist_innen aus dem Arbeits-, Europa- und Vollzugsrecht sowie Vertreter_innen von Gewerkschaften und Freien Trägern der Gefangenen- und Bewährungshilfe ins Gespräch zu bringen.
„Ganz offensichtlich passt der JVA dieses Gespräch nicht,“ vermutet Richter: „Anders ist es kaum zu er­klären, dass dort alles daran gesetzt wird, die Teilnahme von Herrn Aykol zu verhindern. Damit wird letzt­lich nicht nur er der Möglichkeit einer Meinungsäußerung beraubt, sondern auch die gesamte Gefange­nengewerkschaft, für die er sprechen sollte.“
Wir kritisieren mit Nachdruck diese Art und Weise der JVA, mit den Rechten von Inhaftierten umzugehen und fordern die JVA zu einer Stellungnahme in der Sache auf!

Zum weiteren Hintergrund der Gefangenentage:

Die Berliner Gefangenentage wurden von dem gemeinsamen Arbeitskreis Strafvollzug ins Leben gerufen, um aus rechtlicher Perspektive die Anliegen von Menschen in die Öffentlichkeit zu tragen, die dies auf­grund ihrer Freiheitsbeschränkung nicht selbst tun können oder aber in der medialen Wahrnehmung über keine eigene Lobby verfügen. Zugleich sollen Rechtsanwält_innen durch die Vermittlung von fachlichen Kompetenzen im Vollzugsrecht für das Rechtsgebiet interessiert und qualifiziert sowie mit Menschen in Kontakt gebracht werden, die in verschiedenen Funktionen mit dem Vollzugsrecht und der Vollzugsreali­tät konfrontiert sind. Als Referent_innen treten daher neben Rechtsanwält_innen und Richter_innen auch Hochschullehrer_innen, Psycholog_innen, Sozialarbeiter_innen, Politiker_innen, Justizangestellte und (ehemalige) Gefangene auf. Die Gefangenentage verfolgen damit das Ziel, die verschiedenen Perspekti­ven auf Gefängnis und Resozialisierung sowie die normative Ausformung des Vollzugssystems durch die daran Beteiligten oder davon Betroffenen zur Sprache und miteinander ins Gespräch zu bringen sowie rechtspolitische Konsequenzen zu ziehen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die vielfach festgestellte Diskrepanz zwischen Vollzugsrecht und Vollzugspraxis sowie die mangelnden Möglichkeiten zur Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen in den Justizanstalten gelegt.

Die Fachtagung richtet sich an Studierende, Rechtsanwält_innen, Sozialarbeiter_innen und rechtspolitisch Interessierte. Sie findet in den Räumen der Juristischen Fakultät der Humboldt-Uni­versität zu Berlin (Un­ter den Linden 9/ Bebelplatz 1) sowie im Auditorium des Jacob-und-Wilhelm-Grim­m-Zentrum (Ge­schwister-Scholl-Straße 1/3) statt.

Das Programm der Veranstaltung findet sich hier >>

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