Sonntag, November 24, 2013

Von Pyrotechnik, Polizeispalieren und Policoptern

Bericht zur Beobachtung der Silvio-Meier-Demo am 23. November 2013 in Berlin


Am 23. November 2013 fand in Berlin-Friedrichshain eine antifaschistische Demonstration zum jährlichen Gedenken an den vor 21 Jahren von Neonazis ermordeten Silvio Meier statt. Antifaschistische Demonstrationen sind in besonderem Maße polizeilichen Repressionen ausgesetzt. Aus diesem Grund führte der arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin) gemeinsam mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie eine Demonstrationsbeobachtung mit 18 Beobachter_innen durch.

Auch wenn in diesem Jahr nur Berliner Polizeieinheiten eingesetzt waren, prägten diese mit massiven Kräften über weite Strecken das Erscheinungsbild der Demonstration nach außen hin. Zum Ende der Demonstration kam es zu rabiat durchgeführten Festnahmen und zu gewalttätigen Rangeleien mit den Teilnehmer_innen.

Vor der eigentlichen Demonstration fand zwischen den U-Bahnhofausgängen Samariterstraße ab 15 Uhr eine Kundgebung statt. Bereits eine halbe Stunde zuvor begann die Polizei an den Seitenstraßen zur und auf der Frankfurter Allee mit umfangreichen und sehr penibel durchgeführten Vorkontrollen. Dabei wurden Taschen und Jacken durchsucht, Hosen abgetastet, Mützen und Kapuzen kontrolliert. Auch Transparente mussten entrollt werden, T-Shirts und Plakate wurden auf strafbare Slogans hin untersucht. Auffällig war, dass bei den Personenkontrollen sehr wenig Beamtinnen eingesetzt waren. Weibliche Teilnehmerinnen mussten daher teilweise an den Kontrollstellen warten.

Stefanie Richter bemerkt dazu: »Es ist erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit mittlerweile in Berlin Vorkontrollen dieses Ausmaßes stattfinden und erduldet werden. Wer sich dem entziehen will, muss mit einem Platzverweis rechnen. Ein ungehinderter und unregistrierter Zugang zur Versammlung ist damit nicht gewährleistet.«

Obwohl die Kundgebung schon über eine Stunde im Gang war und sich auf der stadteinwärtsgewandten Fahrbahnseite und dem Mittelstreifen der Frankfurter Allee mittlerweile über 5.000 Teilnehmer_innen angesammelt hatten, unterließ die Polizei lange Zeit die Sperrung der anderen Fahrbahnseite. In dieser unruhigen, gedrängten Situation entstanden immer wieder Gefährdungen für die Demonstrant_innen.

Eine Nachfrage des Anmelders bei der Polizeiführung, wie viele Polizeikräfte in Zivilkleidung in der Demonstration verteilt seien, blieb unbeantwortet. Dabei hatte erst am 6. November 2013 das Verwaltungsgericht Göttingen entschieden (Az. 1 A 98/12), dass Zivilbeamte nach dem Versammlungsgesetz verpflichtet sind, sich zuvor der jeweiligen Versammlungsleitung zu erkennen zu geben. Vielmehr wurde der Anmelder auf Schritt und Tritt von einigen Beamten begleitet.

Gegen 16:40 Uhr startete der Demonstrationszug lautstark und kraftvoll in die Silvio-Meyer-Straße. Von Beginn an lief die Polizei in mehreren Reihen vor und hinter dem Aufzug her. Schon am Anfang verzögerten polizeiliche Maßnahmen das Loslaufen, wobei die Polizeiketten so eng vor dem Fronttransparent herliefen, dass dieses nicht lesbar war. Die besondere Choreographie antifaschistischer Demonstrationen, zu der u.a. das Abbrennen von Bengalfeuern und Feuerwerk gehört, konnte sich nur zu Beginn der Demonstration verwirklichen. Spätestens ab dem Bersarinplatz zogen dichte, teilweise zweireihig laufende Polizeiketten als Spalier auf, welche die Demonstration dicht gedrängt an den Seiten abschirmten. Transparente waren nicht mehr lesbar, umstehende Passant_innen konnten das Anliegen der Demonstration kaum noch wahrnehmen. Immer wieder wurde gefilmt. Von Beginn an kreiste ein Helikopter über der Versammlung.

Infolge des direkten Spalierlaufens kam es in den engen Straßen immer wieder zu Gedrängel zwischen der Polizei und den Demonstrant_innen, was die Demo mehrfach unterbrach. Zu ersten brutalen Festnahmen kam es um 17:30 Uhr in der Gabriel-Max-Straße als Polizeikräfte hinter der Demospitze in den Zug eingriffen und drei Festnahmen durchführten. Daraufhin drängten 30 bis 50 Beamt_innen nach, die sich wie ein Keil zwischen die Demo schoben, dabei Teilnehmer_innen schubsten und traten. Leute wurden in der engen Straße an die umstehenden Autos gedrückt oder fielen über Restauranttische.

Die Demonstration endete wieder auf der Frankfurter Allee, wo der Anmelder sie um 17:55 Uhr für beendet erklärte. Ein unmittelbares Verlassen der Versammlung war für die Teilnehmer_innen an der Demospitze nicht möglich. Eine Polizeikette versperrte den Weg zur U-Bahn. Nur einzeln sollten die Demonstrant_innen den Ort verlassen dürfen. Im weiteren Verlauf kam es zu mehren gezielten und gelegentlichen, teilweise rabiat durchgeführten Festnahmen unter Einsatz massiver Polizeikräfte. Dabei wurden Umstehende erneut geschubst und zu Boden gestoßen. Insgesamt wurden 14 Festnahmen und drei vorübergehende Ingewahrsamnahmen beobachtet.

Stefanie Richter resümiert: »Zu Beginn der Demonstration hatte es die Berliner Polizei für notwendig gehalten, die Teilnehmer_innen durch Lautsprecheransagen aufzufordern, sich nicht provozieren zu lassen. Angesichts der Tatsache, dass die strafrechtliche Verfolgung von Verstößen gegen das Vermummungsverbot mit brutalen Mitteln und das Spalierlaufen häufigste Ursache für Provokationen waren, fordern wir die Abschaffung des Vermummungsverbots.«

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