Dienstag, November 29, 2011

Laase – Ein ackergroßes schwarzes Loch im Rechtsstaat

Pressemitteilung zur akj-Einsatzbeobachtung am 28.11.2011

In den letzten vier Tagen hat der arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin) anlässlich des Castor-Transports mit insgesamt zwanzig Studierenden, überwiegend der Rechtswissenschaft, eine Einsatz- und Demonstrationsbeobachtung im Wendland durchgeführt. Dabei ging es darum, die polizeilichen Maßnahmen zu dokumentieren und hinsichtlich ihrer Legalität am Maßstab des grundrechtlichen Schutzanspruches der Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie der Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Freizügigkeit zu messen.

Mit ihren magentafarbenen Signalwesten mit der Aufschrift „Observer“ waren die Beobachter/innen am Montag, den 28.11.2011, in Gorleben und Laase unterwegs. Während die Auflösung der Straßenblockade in Gorleben mitunter zwar ruppig und unter Einsatz körperlichen Zwangs, überwiegend jedoch mit rechtsstaatlichen Mitteln erfolgte, stellt sich das Vorgehen der Polizeikräfte bei der angemeldeten und behördlich bestätigten Mahnwache von „Castor wegbassen“ auf einem Feld an der Transportstrecke bei Laase als Außerachtlassen gesetzlicher und anderer rechtsstaatlicher Standards sowie als reines Muskelspiel der Polizeikräfte dar.
Stefanie Richter, Pressesprecherin des akj-berlin: „Die Polizei rückte bereits Stunden vor Eintreffen des Castros mit enormem technischen Aufwand an. Insgesamt zwei Räumpanzer, eine Reiterstaffel und zeitweise bis zu neun Wasserwerfer standen ca. 500 friedlichen Demonstrant/innen gegenüber. Immer wieder schufen die Einsatzkräfte sich selbst Gelegenheiten, um präventiv Zwangsmaßnahmen gegen die Versammelten durchzuführen, ohne diese auch nur anzukündigen oder an rechtsstaatliche Voraussetzungen zu knüpfen.“
Dabei wurden nach den Beobachtungen des akj-berlin achtzehn, teilweise aus dem Hinterhalt und mit äußerster Brutalität durchgeführte und scheinbar willkürlich ausgewählte Festnahmen gemacht. Wie in den letzten Tagen auch wurde zwischen den anwesenden Menschen nicht unterschieden, friedlich Tanzende ebenso wie Pressevertreter/innen, Sanitäter/innen und Demonstrationsbeobachter/innen zeitweise aus drei Wasserwerfern gleichzeitig unter Beschuss genommen, geschupst und geschlagen.
Stefanie Richter: „Wir wurden, obwohl wir auch in Dunkelheit und bei Nebelschwaden an unseren Signalwesten gut erkennbar waren, gezielt und ohne Vorwarnung von einem Wasserwerfer unter Beschuss genommen als wir abseits der Versammlung standen. Bei dem Versuch, die Namen von Festgenommenen zu erfragen, schlugen Beamte der Bundespolizei mehrere Beobachter/innen ins Gesicht, warfen uns zu Boden oder traten nach uns.“
Während vom Lautsprecherwagen der Mahnwache immer wieder höflich und sachkundig auf die Rechtswidrigkeit der Polizeimaßnahmen hingewiesen wurde und die Polizei wieder und wieder aufgefordert wurde, die Versammlung zu verlassen, provozierten die Beamt/innen durch Wasserwerfereinsätze, Schlagstöcke und Reizgas ein Eskalieren der Situation, um so ihre Anwesenheit zu rechtfertigen. Strohfeuer wurden ohne Erfolg mit Wasserwerfern zu löschen und mit Räumpanzern zu zerstreuen versucht. In der dadurch entstandenen enormen Rauchbildung und in der Dunkelheit war eine Identifizierung von Personen ebenso unmöglich wie ein gezieltes polizeiliches Vorgehen. Im Helikopterlärm waren Ansagen der Polizei nicht verständlich.
Stefanie Richter: „Die Wasserwerfereinsätze waren selbst dann, wenn sie ordnungsgemäß angedroht worden wären, die Versammlung zu irgendeinem Zeitpunkt überhaupt aufgelöst worden wäre und hierfür ein entsprechender Grund tatsächlich bestanden hätte, ungeeignet, provozierend und gefährlich. Eine Beeinträchtigung der Transportstrecke des Castors bestand ebenso wenig wie irgendeine andere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen war offensichtlich. Dass die Polizeikräfte dennoch nicht abließen und fortgesetzt Straftaten begingen, kann sich nur aus deren Frustration über das geringe Erfolgspotential der Maßnahmen an den Vortagen, ihre Anonymität und einem klaren, in den Demonstranten, Sanitäterinnen und Presseleuten gefundenen Feindbild erklären. Wir fordern eine konsequente Aufarbeitung der Ereignisse, die Entschädigung der Verletzten und die Absetzung des Einsatzleiters. Dieser Mann, der auch in Metzingen verantwortlich war, soll nie wieder die Gelegenheit erhalten, über und an Menschen Gewalt auszuüben!“

Vorläufiger Bericht vom Sonntag, 27.11.2011 (Hitzacker)


Am Sonntag, den 27.11.2011, konzentrierte sich die Demobeobachtung des arbeitskreises kritischer juristinnen und juristen von der Humboldt-Uni Berlin auf die Dokumentation der polizeilichen Maßnahmen anlässlich der Gleisblockaden in Hitzacker. Bereits in der Nacht zum Sonntag waren die Beobachter_innen bei der Räumung der Schienenblockade in Harlingen präsent; die Schilderungen und Bewertungen zu diesem Einsatz sind jedoch im vorläufigen Beobachtungsbericht vom Samstag enthalten.

Bereits im Laufe des Nachmittages gab es kleine Gruppen von Protestierenden, die versuchten auf die Gleise zu gelangen oder Blockaden zu errichten. Die Beobachtungen gingen hier stark auseinander und es ist derzeit schwierig, einen Gesamteindruck zu formulieren. Beobachtet wurde sowohl wie Polizisten Steine auf Demonstrant_innen warfen als auch dass Beamt_innen Ortsfremden den schnellsten Weg zur Blockade beschrieben.


Blockade in Hitzacker

Die Arbeit der Demobeobachter_innen in Hitzacker wurde dadurch erschwert, dass sie von der Polizei nicht zur Versammlung durchgelassen wurden und es ihnen nur über Umwege gelang, sich Zugang zur Blockade zu verschaffen. An einer Polizeisperre behaupteten die Einsatzkräfte sogar, es gäbe gar keine Gleisblockade mehr, die Leute seien schon alle nach Hause gegangen. Auch als die Räumung der Gleise begann, verwies die Polizei, die zunächst absprachewidrig die Demonstrationssanitäter_innen hinter die Polizeiketten verbannt hatte, auch einen Großteil der Presse, den parlamentarischen Beobachter und die akj-Beobachter_innen dorthin. Die Räumung der Menschen erfolgte dann zur anderen Seite der Schienen, so dass weder Sanitäter_innen noch Beobachter_innen die Räumung direkt einsehen oder gar Kontakt zu den Geräumten aufnehmen konnten. Zwar waren nicht alle Pressevertreter_innen ausgeschlossen worden. Es bestand aber der Eindruck, dass nicht alle sehen sollten, was passiert.

Insgesamt überwog jedoch der Eindruck, dass sowohl während der Blockade als auch bei der Räumung beide Seiten recht gelassen blieben. Es wurde Gesungen und von Seiten der Demonstrant_innen mit der Polizei kommuniziert. Allerdings sorgte der Umstand für Unruhe, dass die Polizei ca. viertelstündig die Gleise absuchte. Nur auf dezidierte Nachfrage wurde mitgeteilt, dass kontrolliert würde, ob sich Leute anketten oder zu schottern beginnen. Dabei mussten die Blockierer_innen aufstehen, Decken und Gepäck wurden hochgehoben und Taschen auf entsprechende Werkzeuge hin durchsucht. Ungeachtet der Tatsache, dass die auf den Gleisen in Schlafsäcke und Schutzfolien gewickelten Menschen durch das wiederholte Aufstehenmüssen immer wieder auskühlten oder durch leistungsintensive Taschenlampen geblendet wurden, kam es mitunter auch zu schikanösen Ansprachen und ruppigen Zugriffen.

Positiv ist hervorzuheben, dass es Demonstrant_innen relativ lange möglich war, über Umwege zur Blockade zu gelangen und es keine gewalttätigen Versuche der Polizei gab, diese davon abzuhalten.

Polizeiliche Durchsagen erfolgten weniger präskriptiv als moderierend und waren gut verständlich. Dabei wurde auch die Presserklärung der Polizei verlesen, nach der die Polizei hinsichtlich der erfolgreichen und scheinbar unüberwindlichen Betonkonstruktion, mit deren Hilfe sich vier Castorgegner_innen an den Gleisen gefesselt hatten, nur "zweiter Sieger" des Tages sei. Die Friedlichkeit und Kreativität der Proteste wurde gelobt. Die Polizei fühle sich den Protesten verbunden und bitte bei der Räumung um Mitwirkung, weil die Polizeikräfte schon so lange im Einsatz seien. Als Reaktion rief es ihnen aus der Blockade: "Hey Cops schmeißt die Knüppel weg!" entgegen. Kurz danach wurden die Sanitäter_innen hinter die Polizeiabsperrung verwiesen.


Die Räumung der Gleise

Beim der anschließenden Räumung wurden die Menschen teilweise recht unsanft hochgezerrt oder abgesetzt, insgesamt aber besonnen vorgegangen. Obwohl immerhin durchschnittlich drei Beamt_innen pro Person eingesetzt wurden, führte deren rasche Ermüdung schnell zu Gefährdungen der Blockierer. So gerieten z.B. die Köpfe der Blockierer_innen sehr nahe an die Schwellen oder den ungesicherten Boden, weil die Beine zu hoch getragen wurden.

Entsprechend der Absprachen mit den Protestierenden trugen die an der Räumung beteiligten Beamt_innen sowie die in der Kette stehenden keine Helme, was sehr zu Beruhigung beitrug. Lediglich einige im Hintergrund bereit stehende Zugriffsgruppen waren behelmt, was – wie per Lautsprecher mitgeteilt wurde – lediglich der Absicherung der laufenden Maßnahmen diene.
Stefanie Richter, Pressesprecherin des akj-berlin: "Während der Räumung filmte die Polizei die Maßnahmen mit mehreren Kameras und von verschiedenen Seiten aus. Einen unmittelbaren Rechtsgrund hierfür konnten wir nicht erkennen; wenn dieser – wie zu vermuten ist – nicht in dem Zweck liegen sollte, die Beamt_innen von Straftaten abzuhalten oder solche ggf. wenigstens zu dokumentieren."
Erneut hatte die Polizei Hunde vor Ort, die jedoch nicht zum Einsatz kamen. Permanent kreisten Hubschrauber in der Luft. Sonstige Beobachter außerhalb der Absperrungen erhielten Platzverweise. DIe Informationslage der Polizeiführung erwies sich als prekär. Als bspw. ein Sanitäter den Polizeileiter vor Ort fragte, warum die Räumung in eine Richtung erfolgte, in der sich nicht das Camp Hitzacker befinde, sondern in die andere, so dass die Heimkehrenden darauf angewiesen waren, die Gleise noch einmal zu überqueren, entgegnete dieser störrisch: "Warum sagen Sie mir denn das jetzt erst?"

Dieser Umstand und die weiträumigen Absperrungen, die ein Abströmen der Menschen nur in südlicher Richtung erlaubte, bedeute für viele erhebliche Umwege. Von diesen Sperrungen war auch unbeteiligte Bevölkerung, teilweise mit kleinen Kindern betroffen.

Gegen 2 Uhr begann zeitgleich zur Räumung die Arbeit an der Freilegung einer an die Gleise geketteten Person. Gegen 2:30 Uhr wurde die Demonstrationsbeobachtung abgebrochen.
Stefanie Richter: "Im Laufe der Nacht hatten wir öfter den Eindruck, dass die Gesamteinsatzleitung vernünftige Absprachen der Sanitäter_innen und Demonstrant_innen mit den Polizeiführern vor Ort durch einseitige Anordnungen durchkreuzte. Das war nicht gerade vertrauensbildend und bewirkte, dass die in Hitzacker konzentrierten Sanitäter_innen an ihrer Arbeit gehindert wurden und entsprechend an anderen Stellen im Wendland fehlten."

Sonntag, November 27, 2011

Vorläufiger Beobachtungsbericht vom Samstag, den 26. November 2011


Am Samstag, den 26.11.2011, waren die Demobeobachter_innen des arbeitskreises kritischer juristinnen und juristen von der Humboldt-Uni Berlin mit ihren magentafarbenen Warentesten und der Aufschrift "OBSERVER" ab 8 Uhr bei den Kontrollstellen in Metzingen präsent, begleiteten anschließend einige Finger aus diesem Camp durch den Wald und zu den Gleisen. In den Nachtstunden wurde die Beobachtung bei der Schienenblockade in Harlingen fortgesetzt, wo die Polizei um 3:25 Uhr mit der Räumung begann.

Im Laufe des Samstag kam es zu massiven Rechtsverletzungen und martialischen Menschenjagden, von denen im Einzelnen zu berichten ist:
  • Obwohl das Verhalten der Demonstrant_innen friedlich und konfrontationsvermeidend war, nahmen Zwangsmaßnahmen deutlich an Gewalttätigkeit und Beliebigkeit zu; die Bereitschaft zum Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken – auch ohne Ankündigung – sinkt offenbar.
  • Demosanitäter_innen sind übermäßig häufig von Polizeimaßnahmen betroffen.
  • Weiterhin tritt die Polizei schikanös gegenüber Pressevertreter_innen auf.
  • Mangelnde Kennzeichnung der Beamten verhindert Identifizierung von Straftätern im Amt.


Nacht zum Samstag

Bei ihrem Eintreffen in Metzingen fanden die Demonstrationsbeobachter_innen des akj-berlin in der Nacht zum Samstag einen Wasserwerfer direkt vor dem Tor des Camps vor, aus dem noch Wasser tropfte. Campbewohner_innen hielten provisorisch Planen in die Höhe und protestierten lautstark, aber Camp und Bewohner_innen wirkten durchnässt. Offenbar hatte der Wasserwerfer unmittelbar vorher noch in das Camp gespritzt. Journalisten berichteten den Beobachter_innen, dass die Polizei umstehende Personen unmittelbar zuvor geschlagen und geschupst haben soll, auch Pfefferspray kam zum Einsatz. In einem Fall wurde beobachtet, wie dieses aus einer Entfernung von 20 Zentimetern direkt in das Gesicht eines sich wegduckenden Bewohners abgegeben wurde.

Den Beobachter_innen genügt die polizeilicherseits als Begründung abgegebene Erklärung, wonach der Einsatz erforderlich gewesen sei, weil es auf auf der Straße vor dem Camp zu Steinwürfen gegen Polizeibeamt_innen gekommen sei, nicht als Rechtfertigung für die beschriebenen Maßnahmen.

Stefanie Richter vom akj-berlin schätzt die Situation so ein: "Die eingesetzten Polizeikräfte waren von vornherein nicht in der Lage, ohne übermäßige Gewalt das Camp zu räumen oder gar vor Ort Identitätsfeststellungen durchführen zu können. Das hat die Polizeiführung aber nicht davon abgehalten, die Lage eskalieren zu lassen und damit Bewohner_innen und Beamt_innen erheblichen Gefahren auszusetzen."


Die Situation der Demosanis

Im Laufe der Nacht wurde Demosanitäter_innen wiederholt der Zugang zu hilfsbedürftigen Menschen verwehrt. Die Sanitäter_innen konnten sich insbesondere nicht ohne eigene Gefährdung in den Bereich der polizeilichen Maßnahmen begeben. Wiederholt wurden Demobeobachter_innen darum gebeten, gegenüber der Polizei den Zugang der Sanis zu den Verletzten zu vermitteln.

Auch im weiteren Verlauf des Samstag kam es immer wieder zu Behinderungen von Sanitäter_innen und Ärzt_innen. In beinahe allen denkbaren Situationen und unabhängig von der Gefahren- oder Stresslage wurden sie als "normale" Protestteilnehmer_innen behandelt, mitunter gezielt drangsaliert. So wurde an den Schienen bei Breese gegen 14 Uhr beobachtet, wie Polizeibeamte mit Geschrei und Pfefferspray von hinten hilfeleistende Sanitäter angriffen. Dabei sind die Demosanis während der Behandlung von Hilfsbedürftigen wegen ihrer Arg- und Wehrlosigkeit besonders gefährdet für polizeiliche Übergriffe.


Polizeikontrollen in den Morgenstunden bei Metzingen

Zwischen 8 und 11 Uhr morgens hatten Polizeikräfte das Camp in Metzingen großräumig umstellt, die Zufahrtsstraßen zu Metzingen blockiert und führten dort akribische Personenkontrollen durch. Teilweise wurde sogar noch das Innenfutter von Rucksäcken und Jacken durchsucht. Insbesondere auf Schutzbrillen, Arbeits-, aber auch Wollhandschuhe hatten die Polizei es abgesehen. Es wurden Personalien aufgenommen und teilweise Datenabgleiche durchgeführt. Der akj-berlin bestreitet die Rechtmäßigkeit der gezielten Durchsuchungen nach sog. Schutzbekleidung an den Kontrollstellen auf der Grundlage von § 22 Abs. 2 Nds.SOG.

Danach darf die Polizei an Kontrollstellen Durchsuchungen nur zur Auffindung von Waffen, anderen gefährlichen Werkzeugen und Explosivmitteln durchführen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. "Schutzausrüstung wie Handschuhe, Daunenjacken und Strohsäcke dürften dessen nicht verdächtig sein," gibt Stefanie Richter zu bedenken.

Darüber hinaus wurden – in den beobachteten Fällen – die Betroffenen bei Befragungen weder über die Rechtsgrundlagen der Datenerhebung aufgeklärt noch auf die Freiwilligkeit ihrer Auskünfte bzw. den Umfang ihrer Auskunftspflicht hingewiesen. So wurden die Kontrollierten jenseits von § 12 Abs. 2 Nds.SOG z.B. auch nach ihrem gelernten Beruf und ihrer derzeitigen beruflichen Tätigkeit befragt – offenbar, um diese Information für ein eventuelles strafrechtliches Ermittlungsverfahren weiter zu verwenden.

Das Auftreten der Beamt_innen lässt sich als pseudodeeskalativ beschreiben: Aus bedrohlich wirkenden Wasserwerfern heraus wurden offensichtlich überflüssige Ansagen gemacht, die wohl zur Mitwirkung animieren sollten, aber provozierend wirkten.

Polizeiliche Erklärungen über den Lautsprecher des Wasserwerfers wie: "Kommen Sie ruhig näher, hier findet eine Personenkontrolle statt. Lassen Sie sich kontrollieren.", wechselten sich ab mit direkten Ansprachen an einzelne Menschen, deren Schals der Wasserwerfercrew offensichtlich zu hoch gezogen waren, während diese ruhig an den Kontrollstellen auf ihre "Behandlung" warteten: "Wir weisen Sie darauf hin, dass Sie gerade gegen das Vermummungsverbot verstoßen. Bitte nehmen Sie den Schal aus Ihrem Gesicht. Wenn Sie das Vermummungsverbot nicht beachten, müssen Sie damit rechnen, dass Zwangsmaßnahmen gegen sie eingesetzt werde."

Stefanie Richter erklärt dazu: "Einmal davon abgesehen, dass es sich beim Warten an von der Polizei errichteten Kontrollstellen weder um eine Versammlung handelt noch um eine Zusammenrottung, in deren Zusammenhang das Vermummungsverbot gilt, zielten diese Ansage offensichtlich darauf, die Leute mit vollem Gesicht aus dem Wasserwerfer heraus abfilmen zu können. Niedrige Temperaturen und der pfeifende Wind hielten die Polizei aber auch sonst nicht davon ab, Wärmekleidung zu beanstanden oder sogar sicherzustellen."

Beim Verlassen und Betreten von Metzingen wurden alle Person an den Kontrollstellen von der Polizei gefilmt. Demgegenüber schikanierten einzelne Beamte die Pressefotografen. Mit der vordergründigen Behauptung, diese hätten Portraitaufnahmen von den Beamt_innen gemacht und damit deren Persönlichkeitsrechte verletzt, ließen sie sich alle Aufnahmen einzeln vorführen. In jedem Fall erwiesen sich die Vorwürfe als unberechtigt.

Einem Einsatzfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr wurde die Ausfahrt aus Metzingen verweigert. Eine halbe Stunde später wies die Polizei mehrere Demosanitäter_innen ab, obwohl diese sich ausgewiesen hatten. Während der ganzen Zeit der Maßnahmen war die Lage in und um Metzingen entspannt. Angesichts dessen wirkte das Auftreten der Polizeikräfte einschüchternd, zumal auch die umliegenden Wiesen von Polizeiverbänden umstellt waren.


Aktionsbegleitung in der Görhde

Ohne Gewaltanwendung gelang es insgesamt ca. 800 Menschen aus dem Camp Metzingen aufgeteilt in mehrere Finger an den Polizeikräften vorbei in die Wälder um Görhde zu gelangen. Dort hielten sich starke Polizeiverbände in voller Schutzkleidung mit Helmen, Handschuhen und teilweise Sturmmasken auf. Die Castorgegner_innen versuchten den Beamten und wenigen Beamtinnen weiträumig auszuweichen. Über eine Stunde kam es daher zu keinen weiteren Zusammenstößen.

Die Situation änderte sich deutlich, als die Aktivist_innen westlich von Göhrde in die Nähe der Gleisanlagen, aber noch außerhalb der Sperrzone kamen. Erneut versuchten sie zwischen den Polizeikräften hindurch zu gleiten. Diesmal jedoch machten die zumeist männlichen Beamten mit lautem Gebrüll in voller Kampfmontur Jagd auf einzelne Demonstrant_innen, trieben die Menschen auseinander und einzeln durch den Wald oder auf die umliegenden Felder. Dabei kam es zu gewaltgeprägten Szenen. Die in den Medien dargestellten Katz-und-Maus-Spiele zwischen Polizei und Demonstrant_innen halten die akj-Demobeobachter_innen für eine unpassende Verharmlosung der Situation.

Stefanie Richter findet folgende Worte: "Es handelte sich um martialische Jagdszenen nach dem Ritus: Jagen-Kriegen-Stürzen-Prügeln-Liegenlassen. Insbesondere Einheiten der Bundespolizei und aus Baden-Württemberg setzten ohne Vorwarnung und mit lautem Gebrüll den Menschen nach, rissen sie zu Boden, wo sie sich auf diese knieten oder an Armen und Beinen nach unten drückten, um sie schließlich an Ort und Stelle liegen zu lassen. Die meisten Leute waren in relativ kleinen Gruppen oder einzeln unterwegs. Erfahrungen wie die beschriebenen waren eher die Regel als die Ausnahme."

Insbesondere fanden regelmäßig keine Ansprachen statt oder wurde den Protestierenden konkrete Verhaltsanweisungen gegeben, zu deren Durchsetzung Zwangsmaßnahmen hätten angedroht und ggf. angewendet werden können. Statt dessen wurde immer wieder beobachtet, dass Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten die Menschen brutal Schupsen oder mit einigem Anlauf und gezogenen Schlagstöcken auf diese Losstürmten, wiewohl die Schlagstöcke selbst noch nicht als Hiebwaffen eingesetzt wurden.

Dies änderte sich entlang der Schienen innerhalb der Verbotszone. Hier kamen regelmäßig, ebenfalls oft ohne Androhung Pfefferspray und Schlagstöcke zum Einsatz, die willkürlich in der Menge verteilt wurden. Mitunter gerieten Beamte so in Rage, dass sie ihre eigenen Kollegen verletzten. Auch Pferde kamen wieder zum Einsatz. Beobachtet wurde auch, dass am Boden liegende Personen geschlagen und getreten wurden.

An unterschiedlichen Punkten entlang der Gleise wurde folgende Beobachtungen gemacht:

  • Demosanitäter_innen wurden bei ihrer Arbeit abgedrängt und geschupst
  • in einer Situation fielen die Beamten den Sanis mit Pfefferspray und Gebrüll in den Rücken, als diese gerade um die Verletzten des vorausgehenden Pfeffersprayeinsatzes bemüht waren
  • auch Pressevertreter_innen, die in den Gruppen mitliefen, wurden als Protestierende angesehen und entsprechend polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt
  • heftigere Auseinandersetzungen mit Schlagstöcken und Pfefferspray fanden insbesondere in Breese in der Nähe vom Bahnhof Göhrde statt; dort kam es auch zu Selbstverletzungen unter den Beamten, als diese so heftig und unkontrolliert mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Castorgegner_innen vorgingen, dass sich die Polizisten gegenseitig mit Prügeln und Spray trafen
  • auch dort wurde Gewalt auch gegen Sanitäter_innen sowie eine Sambagruppe eingesetzt
  • an einer anderen Stelle auf dem Weg zur Schiene wurden die Demobeobachter_innen von Anwohnern auf einen Hof gerufen, wo sie einen stark verletzten Demonstrant vorfanden, der von einem zurücksetzenden Polizeifahrzeug angefahren wurde und erhebliche Beinverletzungen aufwies
  • immer wieder kam es zu Hetzjagden auf einzelne Personen, die nicht auf Festnahmen hinausliefen, dabei wurden teilweise auch am Boden liegende Menschen geschlagen oder getreten
  • allerdings kam es nach einem Pfeffersprayeinsatz zu einer dem äußeren Anschein nach willkürlichen Festnahme einer Person, die im Kreis von Sanitätern und hilfebedürftigen Personen stand, unter dem Vorwand, sie hätte einen Stein geworfen, was aber niemand bestätigen konnte
  • an einer anderen Stelle versuchte ein Beamter den Handschuh eines Demonstranten sicher zu stellen, indem er dem Castorgegner mit dem Schlagstock auf die Hände schlug, woraufhin dieser einen Handschuh fallen lies, zufrieden hob der Beamte den sicher gestellten Handschuh auf und gab dies per Funk an seine Kollegen durch: "Hab ihn!"
  • auch Pferde kamen an den Schienen wieder zum Einsatz


Stefanie Richter bezeichnet die Zwangsmaßnahmen als überzogen und rechtswidrig: "Der Einsatz von Gewalt – noch dazu unter Verwendung sog. 'technischer Hilfsmittel' wie Schlagstöcke und Pfefferspray – gegenüber friedlichen Menschen, ist rechtswidrig, wenn dieser nicht vorher angedroht wird und den Leuten die Möglichkeit geboten wird, sich den Zwangsmaßnahmen durch Befolgung konkreter Anweisungen zu entziehen. Diese Möglichkeit bestand ganz überwiegend nicht. Darüber hinaus wurden Pfefferspray und Schlagstock nicht als letztes, sondern oftmals erstes Mittel eingesetzt."
Steinwürfe von Protestierenden auf Polizeibeamt_innen wurden im Laufe des Tages nicht beobachtet. Gelegentlich kam Pyrotechnik außerhalb des Schienenbereichs zum Einsatz.


Polizeiübergriffe in Pommoissel

Nach dem Abdrängen der Demonstrant_innen an den Schienen am nördlichen Ortsrand von Pommoissel lief eine Gruppe von Castorgegner_innen mit antifaschistischen Parolen durch den Ort. Obwohl die Gruppe weitab von den Schienen und kontrolliert unterwegs war, wurde sie von den Polizeibeamten mit Prügeln tracktiert. Diese Situation war so offensichtlich rechtswidrig, dass die prügelnden Beamten von ihren Kollegen mit Nachdruck davon abgehalten werden mussten.


Räumung der Gleisblockade bei Harlingen
[wird noch ergänzt]

Folgende Meldungen der Demobeobachter_innen gingen im Laufe der Nacht ein:

  • [3:25] Beginn der Räumung der Blockade durch Wegtragen der Demonstrant_innen nach ordnungsgemäßer Vorwarnung und in korrekter Weise. Gleiches gilt für den Umgang mit den Angeketteten und den Baumbesetzer_innen.
  • [4:12] Bei den Räumungsmaßnahmen in Harlingen wird von der Polizei immer wieder durchgesagt, dass wer sich nicht freiwillig entfernt, in die "Feld-GESA" gebracht werde. Damit ist ein von ca. 100 Polizeiwagen umstelltes Feld gemeint, in dem sich ein Sanitätswagen der Polizei sowie verschiedene Dixi-Clos befinden. Leagalteams und Demobeobachter_innen wurde von der Polizei angedroht, ebenfalls dort hin verbracht zu werden, wenn sie sich nicht zurück ziehen.
  • [4:26] Es wurde beobachtet, dass die eingesetzten Beamt_innen inzwischen ermüden und darunter die angemessene Behandlung der Geräumten leidet. So wurde beobachtet, dass Personen auf das Gleisbett fallen gelassen wurden, die Demosanis berichte, dass mindestens eine Person die Böschung hinuntergekugelt wurde, offenbar, um sie nicht tragen zu müssen. Es wurde beobachtet, wie Personen über den Boden geschleift oder bäuchlings so tief getragen wurden, dass sie sich Verletzungen zuzogen.
  • [5:42] Noch immer werden die Blockierer_innen teilweise bäuchlings in die Freiluft-GESA verbracht. Dabei werden Tonfa auch als Hebel und Tragvorrichtung benutzt. Demosanis haben die Polizei mehrfach darauf hingewiesen, dass es hierdurch zu Verletzungen und Gelenkschäden kommen kann. Eine Demosanitäterin hat uns berichtet, dass sich ein Mann dabei eine Rückenmarksverletzung zugezogen hat. Als sie die Polizei aufforderte, den Mann entsprechend schonend zu versorgen, wurde sei sie einer Identitätsfeststellung unterzogen.


Fehlende Kennzeichnung der Polizeibeamten

Trotz des krass rechtswidrigen Vorgehens der Einsatzkräfte ist eine Identifizierung von Straftätern im Amt objektiv nicht möglich. Einzelkennzeichnungen der fast ausschließlich männlichen Beamten gab es nicht. Länderwappen waren oftmals verdeckt oder nicht erkennbar. Gruppenkennungen verloren ihren Sinn, weil die Polizeikräfte nicht in geschlossenen Gruppen, sondern gemischt agierten. Nicht selten trugen sie dabei Sturmmasken vor dem Gesicht.


Beobachtungsbedinungen

Positiv ist zu erwähnen, dass die Autos der akj-Demobeobachtung von den Polizeikräften passieren gelassen und unterwegs nicht aufgehalten wurden. Auch war ein Parken in der Nähe polizeilicher Maßnahmen unproblematisch möglich. Anderseits wurde in einem Fall von zwei Demobeobachter_innen eine Identitätsfeststellung abverlangt, die – wie der betreffende Beamte der Bundespolizei selbst zugab – aus reiner Langeweile erfolgte. Im Zusammenhang mit Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs wurde dieser teilweise auch Demonstrationsbeobachter_innen gegenüber angedroht.


Fazit

  • Aggressionssteigerung auf Seiten der Polizei (auch aufgrund der Frustrationserfahrungen angesichts des Scheiterns eigener Maßnahmen)
  • deutliche mehr Einsätze unmittelbaren Zwangs, trotz defensiver Haltung der Protestierenden, ohne Vorwarnung
  • Räumung der Blockade in Harlingen verlief überwiegend deeskalativ und angemessen, die Ingewahrsamgenommen wurden entsprechend versorgt. Allerdings minderte die Übermüdung der Beamt_innen den gefärdungslosen Transport der Menschen zunehmend.

Stefanie Richter resümiert: "Wir finden es sehr bedenklich, dass die Castorgegner_innen von den Polizeikräften und den Medien überwiegend als potentielle oder tatsächliche Straftäter oder gar Gewalttäter dargestellt und wahrgenommen werden. Dies erzeugt ein Klima der Angst und Aggression, in dem sich die Beamt_innen berechtigt sehen, kompromisslos und rücksichtslos gegen die Leute vorzugehen – unabhängig von deren berechtigtem Anliegen und ihrem konkreten Verhalten. Das mag auch an der Aufgabe der Polizei liegen, die ohne Gewalt nicht durchsetzbar scheint. Wir sind aber der Meinung, dass polizeiliche Maßnahmen abgebrochen werden müssen, wenn die Durchsetzung der politischen Ziele von Regierungsverantwortlichen nur mit unverhältnismäßiger Gewalt möglich ist."

Zusammenfassung des vorläufigen Beobachtungsberichtes vom Samstag, den 26. November 2011

Am Samstag, den 26.11.2011, waren die Demobeobachter_innen des arbeitskreises kritischer juristinnen und juristen von der Humboldt-Uni Berlin mit ihren magentafarbenen Warentesten und der Aufschrift "OBSERVER" ab 8 Uhr bei den Kontrollstellen in Metzingen präsent, begleiteten anschließend einige Finger aus diesem Camp durch den Wald und zu den Gleisen.

Von massiven Rechtsverletzungen und martialischen Menschenjagden ist zu berichten:
  • Obwohl das Verhalten der Demonstrant_innen friedlich und konfrontationsvermeidend war, nahmen Zwangsmaßnahmen deutlich an Gewalttätigkeit und Beliebigkeit zu; die Bereitschaft zum Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken – auch ohne Ankündigung – sinkt offenbar.
  • Demosanitäter_innen sind übermäßig häufig von Polizeimaßnahmen betroffen.
  • Weiterhin tritt die Polizei schikanös gegenüber Pressevertreter_innen auf.
  • Mangelnde Kennzeichnung der Beamten verhindert Identifizierung von Straftätern im Amt.

1. Kontrollen an den Zufahrtswegen nach Metzingen
Zwischen 8 und 11 Uhr morgens hatten Polizeikräfte die Zufahrten zu Metzingen blockiert und führten penible Personenkontrollen durch. Es wurde gezielt nach Polsterungen gesucht, Personalien aufgenommen und Datenabgleiche durchgeführt. Dabei nahmen die Beamt_innen den Menschen insbesondere mitgeführte Handschuhe ab, selbst wenn es sich dabei um reine Wollprodukte handelte. Der akj-berlin bestreitet die Rechtmäßigkeit der gezielten Durchsuchungen nach sog. Schutzbekleidung an Kontrollstellen.
Bei den Befragungen wurden die Betroffenen weder über die Rechtsgrundlagen aufgeklärt noch auf die Freiwilligkeit ihrer Auskünfte hingewiesen. Das Auftreten der Beamt_innen lässt sich als pseudodeeskalativ beschreiben: Aus bedrohlich wirkenden Wasserwerfern heraus wurden offensichtlich überflüssige Ansagen gemacht, die wohl zur Mitwirkung animieren sollten, aber provozierende Wirkung hatten. Alle Personen an den Kontrollstellen wurden abgefilmt. Pressefotografen wurden gezielt schikaniert.


2. Übergriffe auf Sanitäter_innen
Bereits in der Nacht und an den Kontrollposten wurde den Demosanis jedenfalls zeitweise der Zugang zu hilfsbedürftigen Personen verweigert. Immer wieder wurden Sanitäter und Ärztinnen Opfer polizeilicher Übergriffe. Diese sind wegen ihrer Arg- und Wehrlosigkeit während der Behandlung von Hilfsbedürftigen besonders gefährdet. An den Schienen bei Breese wurde beobachtet, wie Polizeibeamte mit Geschrei und Pfefferspray von hinten hilfeleistende Sanitäter angriffen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Sanitäter_innen unabhängig von der Gefahren- oder Stresslage behindert und drangsaliert werden.


3. Übermäßig gewalttätiger und rechtswidriger Zwangseinsatz
In den Wäldern bei Göhrde weit außerhalb der Sperrzone kam es immer wieder zu martialischen Jagdszenen auf einzelne Castorgegner_innen, obwohl diese die Polizeikräfte weiträumig zu umgehen versuchten. Insbesondere Einheiten der Bundespolizei und aus Baden-Württemberg setzten ohne Vorwarnung und mit lautem Gebrüll den Menschen nach, rissen sie zu Boden, wo sie sich auf diese knieten oder an Armen und Beinen nach unten drückten, um sie schließlich an Ort und Stelle liegen zu lassen.
Entlang der Schienen kamen zusätzlich Pfefferspray und Schlagstöcke zum Einsatz, die willkürlich in der Menge verteilt wurden. Nicht selten gerieten Beamte so in Rage, dass sie ihre eigenen Kollegen trafen. Auch Pferde kamen wieder zum Einsatz. Beobachtet wurde auch, dass am Boden liegende Personen geschlagen und getreten wurden.
Der Einsatz von Gewalt, noch dazu unter Verwendung sog. "technischer Hilfsmittel" wie Schlagstöcke und Pfefferspray gegenüber friedlichen Menschen, ist rechtswidrig, wenn dieser nicht vorher angedroht wird und den Leuten die Möglichkeit geboten wird, sich den Zwangsmaßnahmen durch Befolgung konkreter Anweisungen zu entziehen. Diese Möglichkeit bestand ganz überwiegend nicht.


4. Polizeiübergriffe in Pommoissel
In Pommoissel zog am Nachmittag eine Gruppe Castorgegner_innen mit antifaschistischen Parolen durch den Ort. Obwohl die Gruppe weitab von den Schienen und kontrolliert unterwegs war, wurde sie von den Polizeibeamten mit Prügeln tracktiert. Diese Situation war so offensichtlich rechtswidrig, dass die prügelnden Beamten von ihren Kollegen mit Nachdruck davon abgehalten werden mussten.


5. Keine Kennzeichnung der Polizeibeamten
Steinwürfe von Protestierenden auf Polizeibeamt_innen wurden im Laufe des Tages nicht beobachtet. Allenfalls Pyrotechnik kam außerhalb des Schienenbereichs zum Einsatz. Demgegenüber lässt sich das krass rechtswidrige Vorgehen der Einsatzkräfte weder individuell noch gruppenspezifisch überprüfen. Einzelkennzeichnungen der fast ausschließlich männlichen Beamten gab es nicht. Länderwappen waren oftmals verdeckt oder nicht erkennbar. Gruppenkennungen verloren ihren Sinn, weil die Polizeikräfte gemischt agierten. Nicht selten trugen sie zudem Sturmmasken. Eine Identifizierung von Straftätern im Amt war daher objektiv nicht möglich.

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Samstag, November 26, 2011

Das anwaltliche Legal-Team legt nach

Rechtsbrüche und Gewalt bestimmen weiterhin den Polizeialltag rund um den Castortransport

Das anwaltliche Legal-Team aus Strafverteidiger_innenvereinigung und RAV hat in seiner heutigen Pressemitteilung zahlreiche Fälle von Polizeigewalt zusammen getragen:

In Göttingen sei eine Journalistin von „Graswurzel-TV“ von einem Polizeihund gebissen und so schwer verletzt worden, dass nach der Behandlung durch einen Sanitäter noch ein Arzt hinzugezogen werden musste. Beim nächtlichen Wasserwerfer- und Schlagstockeinsatz in Metzingen sei ein örtlicher Landwirt auf seinem eigenen Grundstück ohne Grund von der Polizei mit Pfefferspray angegriffen sowie einem CASTOR-Gegner von der Polizei die Vorderzähne ausgeschlagen worden. Sanitäter_innen mussten zahlreiche Verletzte behandeln.

Es sei zu zahlreichen Kesseln gekommen, in denen auch Minderjährige festgehalten wurden. Vier in Harlingen Festgenommenen sei der Kontakt zu den Jurist_innen des anwaltlichen Notdienstes verweigert worden, obwohl diese explizit nach anwaltlichem Beistand verlangt hätten. Einem Anwalt wurde in der Gefangenen-Sammelstelle von der Polizei mitgeteilt, die Festgenommenen wünschten keinen Kontakt, was sich als Falschaussage erwies.

Rechtsanwalt Felix Isensee kritisiert diese Willkür polizeilichen Handelns scharf: „Ich sehe hier einen krassen Verstoß gegen rechtsstaatliche Normen, insbesondere die Möglichkeit, sich jederzeit im Verfahren eines Verteidigers bedienen zu können und gegen die anwaltliche Berufsausübungsfreiheit.“

Auch in der Göhrde seien wieder zahlreiche Demonstrant_innen verletzt worden – die brutalsten beobachteten Fälle hätten sich durch berittene Polizeieinheiten ereignete, die ihre Pferde ohne Rücksicht in Personengruppen getrieben hätten. Wie schon am Vortag und durch die akj-Demobeobachter_innen festgestellt, wurden Sanitäter und Ärztinnen in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten behindert. Einige erhielten Platzverweise, Sanitätsfahrzeuge wurden angehalten und akribisch durchsucht.

Bei Harlingen seien am Samstagnachmittag AnwältInnen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit von Beamten einer Hamburger Polizeieinheit angegriffen und bedrängt worden.

„Das schikanöse Vorgehen der Polizisten vor Ort ist Teil einer erkennbaren Eskalationsstrategie der Polizeiführung," bestätigt Rechtsanwalt Felix Isensee den Eindruck der akj-Beobachter_innen vom Vortag: „Grundlegendste rechtsstaatliche Standards werden mit Füßen getreten und Verstöße gegen das Übermaßverbot müssen beklagt werden.“

Nach der Allgemeinverfügung

Das schlimme Erwachen

Seit 7 Uhr morgens sind die akj-Demobeobachter_innen mit ihren magentafarbenen Warentesten und der Aufschrift "OBSERVER" wieder unterwegs im Wendland, um die polizeilichen Maßnahmen kritisch zu begleiten.
"Interessant erschien uns vor allem, auf welche Weise die Polizei die Einhaltung der Allgemeinverfügung durchsetzen wird," erklärt akj-Sprecherin Stefanie Richter.
Zwischen 8 und 11 Uhr morgens hatten Polizeikräfte die Zufahrten zu Metzingen blockiert und führten penible Personenkontrollen durch. Es wurde gezielt nach Polsterungen gesucht und teilweise Personalien aufgenommen. Dabei nahmen die Beamt_innen den Menschen insbesondere die mitgeführten Handschuhe ab, selbst wenn es sich dabei um reine Wollprodukte handelte. Offenbar befürchteten sie deren Einsatz beim Schottern des Gleisbettes.

Erneut kam es zu Behinderungen von Sanitäter_innen und Presse. Gegen 9 Uhr verweigerten die Beamtinnen einer Feuerwehr die Durchfahrt aus Metzingen, eine halbe Stunde später wies sie mehrere Demosanitäter_innen ab, obwohl diese sich ausgewiesen hatten. Pressevertreter berichten auf dem taz-ticker, ihnen seien Teile der Ausrüstung wie Atemschutz und Schutzbrille abgenommen worden.

Sensibilitäten zur Auswahl der Rechtsgrundlage

Während die Polizeikräfte vor Ort ihre Maßnahmen schmallippig als notwendige "Gefahrenabwehr" begründen, verweist die Polizeieinsatzleitung auf § 14 des Niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (NdsSOG). Danach darf die Polizei auf Anordnung der Dienststellenleitung Kontrollstellen auf öffentlichen Straßen oder Plätzen oder an anderen öffentlich zugänglichen Orten einrichten und dort Identitätsfeststellungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 NdsSOG), Datenerhebungen und Durchsuchungen (§ 22 Abs. 2 NdsSOG) durchführen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Landfriedensbruch (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 Nds.SOG i.V.m. §§ 125, 125a oder 305a StGB) oder Verstöße gegen das Niedersächsische Versammlungsgesetz (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 Nds.SOG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nrn. 4 bis 6 NdsVersG) begangen werden sollen.

"Der niedersächsische Landesgesetzgeber hat mit seinem neuen Polizei- und Versammlungsgesetz offenbar gezielt eine Lex Castor schaffen wollen, die der Polizei weitgehende Kontroll- und Eingriffsbefugnisse verleihen soll. So können nach § 14 NdsSOG die Kontrollstellen eingesetzt werden, um u.a. Demonstrant_innen nach Waffen oder sog. Schutzausrüstung zu kontrollieren, die der Abwehr polizeilicher Vollstreckungsmaßnahmen dienen sollen," erläutert Stefanie Richter, legt jedoch sofort nach:
"Wenn er sich da mal nicht verschätzt hat: Zum einen müssen alle polizeilichen Maßnahmen rund um das Versammlungsgeschehen am hohen Maßstab der von Art. 8 Grundgesetz geschützten Versammlungsfreiheit bemessen werden. Diesen Anforderungen genügen bei Fehlen einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben oder den Bestand des Staates jedoch weder das Polizeigesetz noch die konkreten Maßnahmen heute morgen in Metzingen."

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes setzen polizeiliche Maßnahmen, welche die Versammlungsfreiheit einschränken, eine unmittelbare Gefahr für wichtige Rechtsgüter voraus. Diese Gefahr muss durch konkrete Tatsachen belegt werden können, die zudem mit den an der Kontrollstelle Anzutreffenden in unmittelbaren Zusammenhang stehen müssen. Außerdem darf die Grundrechtsausübung durch die Maßnahme nicht übermäßig beschränkt werden.

"Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Durchsuchungen der Metzinger Bevölkerung nach sog. Schutzausrüstung auch nach dem Polizeigesetz rechtswidrig waren," gibt Stefanie Richter mit Blick auf § 22 Abs. 2 Nds.SOG zu bedenken:
"Danach darf die Polizei an Kontrollstellen nur nach Waffen, anderen gefährlichen Werkzeugen und Explosivmitteln durchsuchen, wenn
dies nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Schutzausrüstung wie Handschuhe, Daunenjacken und Strohsäcke dürften dessen nicht verdächtig sein."


Zwar kann die Polizei eine Durchsuchung von Personen nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 NdsSOG auch dann durchführen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um eine Auffangkompetenz für Zufallsfunde.

"§ 22 Absatz 2 geht jedoch als Spezialnorm für Kontrollstellen dem Absatz 1 vor, weswegen die Errichtung der Kontrollstelle aus rechtlich-systematischen Gründen nicht erfolgen dürfe, um nicht nach Waffen oder Explosivstoffen zu suchen, sondern nach Schals und Handschuhen," so Stefanie Richter vom akj-berlin.
Die Polizeibeamtin vor Ort zeigt sich davon unbeeindruckt: "Ist doch trotzdem Gefahrenabwehr," murmelt diese, zieht die Schultern hoch und wendet sich wieder der Taschendurchsuchung zu.

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Schikanös und uninformiert

Die Polizei im Wendland behindert Presse, Beobachter_innen und Sanis

Es hätte ein sehr langer, aber insgesamt überschaubarer Tag voll des kreativen Protests werden können. Gerade hatten sich die Demobeobachter_innen des akj-berlin nach Ende der letzten Demonstration vor Inkrafttreten der Allgemeinverfügung in Lüneburg in ihr Camp zum Plenum zurückgezogen, als um 23:16 Uhr die Nachricht über den Ticker lief, dass in Metzingen die Polizei dabei sei, das Camp zu stürmen.
Stefanie Richter, Pressesprecherin des akj-berlin: "Wir sind natürlich sofort hingefahren. Alles sah danach aus, als würde eine der zentralen Stätten der Protestierenden unmittelbar vor der Räumung stehen. Die Straße war voll mit Polizei und Wasserwerfern vor den Toren des Camps."
Nachdem zunächst massiv Pfefferspray eingesetzt und mit dem Wasserwerfer in das Camp gespritzt worden war, entspannte sich die Lage bei Eintreffen von Presse und Legal-Team allmählich. Die Polizei zog sich zunächst zur Bundesstraße, später Richtung Dannenberg zurück – ob das wohl auch mit den Ladehemmungen des einen Wasserwerfers zu tun hatte?
"Insgesamt passt diese Aktion, obgleich sie viel krasser als vieles war, was wir am Tage erlebt haben, in eine Taktik der Kriminalisierung des gesamten Protests. Voraussetzungslos werden polizeiliche Maßnahmen gegen alle gerichtet, die gerade in die Quere kommen, nach dem Motto: Es trifft schon nicht die Falschen.", resümiert Stefanie Richter und erklärt: "Weil die nachrückenden Einsatzkräfte keine Identitätsfeststellungen durchführen konnten – die vermeintlichen Störer_innen waren nicht da –, richtete sich die gesamte Polizeimacht gegen die sich zum Schlafen bereit machenden Campbewohner_innen. Als könnte mensch mit Wasserwerfern und Räumfahrzeugen Identitäsfeststellungen druchführen."
Zwischen Kessel und Ralley
Seit den Morgenstunden waren zehn Demonstrationsbeobachter_innen vom akj-berlin im Wendland unterwegs, um die polizeilichen Maßnahmen zu beobachten und zu dokumentieren. An den magentafarbenen Warnwesten mit der Aufschrift ("OBSERVER") und den grünen Ausweisen zu erkennen, war am Freitag je ein Team in Dumstorf und eines auf der Ralley Monte Göhrde unterwegs.

In Dumstorf, wo ursprünglich ein weiteres Camp geplant war, aber mit Verweis auf die Schienennähe verboten wurde, was das VG Lüneburg am Donnerstag bestätigt hatte, hatte die Polizei eine Gruppe von Schienenwander_innen eingekesselt und diese über 2,5 Stunden festgehalten. Mit nur einem baterieschwachen Laptop ging sie dann daran, alle Personen einer Identitätsfeststellung zu unterziehen und anschließend abzufilmen. Dabei wurden zwei Gewahrsamnahmen dokumentiert.

Bei der Ralley Monte Göhrde ging die Polizei entlang der Bahnstrecke und in den Wäldern mit Pferden gegen die Protestierenden vor, setzte CS-Gas sowie Pfefferspray ein und führte umfangreiche Verkehrs- und Kfz.-Kontrollen durch. Auch Hunde, Hubschrauber, Wasserwerfer und Räumfahrzeuge kamen zum Einsatz.

Vorläufige Beobachtungsauswertung
Zentral werden folgende Punkte von den akj-Beobachter_innen scharf kritisiert:
  1. Sanitäter_innen behindert
  • Immer weider wurde beobachtet, dass Sanitäter_innen und Ärzt_innen in ihrer Bewegungsfreiheit stark beschränkt wurden.
  • Sie erhielten Patzverweise, Santitätsautos wurden aufgehalten und peinlich genau durchsucht.
  • Die Platzverweise wurden nicht näher begründet, vielmehr die Sanitäter_innen als Störer_innen behandelt.
2. Presse und Beobachter_innen behindert, Polizei uninfomiert
  • Die Einsatzkräfte vor Ort, insbesondere neu eingetroffene Einheiten, sind nicht auf die Akkreditierung der Presse vorbereitet worden.
  • Weder Presseausweise noch die von der Lüneburger Polizeizentrale ausgegebenen Akkreditierungskarten wurden akzeptiert; diese waren nicht einmal bekannt.
  • Ebenso hatten die Demobeobachter_innen immer wieder Probleme, ihre Beobachtungen unbehindert durchzuführen, weil die Beamt/innen vor Ort nicht informiert waren. "Versehentlich" wurde einem Demobeobachter ein Platzverweis erteilt, der später aber wieder zurück genommen wurde.
3. Schikanöses Vorgehen und zahlreiche Verstöße gegen das Übermaßverbot
  • Die polizeilichen Maßnahmen verstießen in der Art ihrer Ausführung an verschiedenen Stellen gegen das Übermaßverbot, oft wurden sie schikanös durchgeführt und ließen keinen konkreten Ermittlungszusammenhang erkennen.
  • So wurde der Polizeikessel in Dumstorf erst gebildet, als sich die Menschen zurück ins Camp bewegen wollten und über 2,5 Stunden aufrecht erhalten. Obwohl keine Beweismittel für einen irgendeinen Tatvorwurf bestanden, wurden schleppend langsam Identitätsfeststellung durchgeführt und alle Menschen einzeln abgefilmt.
  • Diese Form der Kriminalisierung des Protest zeigte sich auch an verschiedenen Kontrollstellen für Pkw und fand seinen Höhepunkt beim polizeilichen Ansturm auf das Camp in Metzingen. Das Motto scheint hier zu sein: "Es trifft schon nicht die Falschen."
Zwei Spaziergänger_innen berichteten den Beobachter_innen, sie seien an einer Polizeikontrollstelle angehalten und gezwungen worden, ihre Jacken und Hosen abzulegen. Dabei wurden sie gefilmt, um wie es hieß, deren Polsterungen zu dokumentieren – wohl weil es sich dabei um eine sog. Passivbewaffnung zur Abwehr polizeilicher Vollstreckungshandlungen handeln könnte?!

Die Legende von der Vorwirkung der Allgemeinverfügung
Immer wieder stützten die Beamt_innen grundrechtsverkürzende Maßnahmen auf ene vermeintliche "Vorwirkung" der Allgemeinverfügung. Dabei handelt es sich um die amtlich bekannt gemachte Verfügung der Polizeidirektion Lüneburg, wonach ab Samstag 0:00 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz in Lüneburg sowie jeweils 50 m auf beiden Seiten entlang der Bahnstrecke nach Dannenberg keine Versammlungen abgehalten werden dürfen sowie gleiches auch ab Sonntag 0:00 Uhr für die Strecke zwischen Dannenberg und dem Zwischenlager bei Gorleben.
In vorauseilender Rechtsanmaßung wurde von den Beamt_innen versucht, bereits vor Inkrafttreten der Allgemeinverfügung die sich aus ihr ergebenden Beschränkungen für die Grundrechtsausübung durchzusetzen. So wurde zwischenzeitlich mit dieser Begründung die Arbeit auf einem Privatgrundstück in Gleisnähe untersagt, auf dem Robin Wood ein Baumhaus errichten wollte.
"Wenn der Castor noch hunderte Kilometer entfert und keine unmittelbaren Gefahren für die Sicherheit der Protestierenden oder die Integrität der Streckenführung bestehen, sind solche Maßnahmen selbst dann rechtswidrig, wenn die Polizei sie weniger fantasievoll begründet als mit dem Hinweis auf die Legende von einer angeblichen Vorwirkung der Allgemeinverfügung.", betont Stefanie Richter, kurz bevor ihr vor Müdigkeit die Augen zufallen.
Gute Nacht Wendland!

Freitag, November 25, 2011

Legal-Team verurteilt Polizeigewalt in Metzingen

Polizeiübergriffe bei friedlicher Blockade in Metzingen – Anwält_innen und Journalist_innen attackiert

Die als Rechtsbeistand der Protestbewegung im Wendland aktiven ca. 20 Anwältinnen und Anwälte des Legal Teams kritisieren in ihrer heutigen Pressemitteilung die gestrigen Polizeiübergriffe auf die friedliche Blockade in Metzingen. Die Polizei sei in unverhältnismäßiger Weise und ohne Vorankündigung mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und
Pfefferspray gegen die Demonstrant_innen aller Altersgruppen vorgegangen. Mehrere Menschen seien dabei verletzt worden. Zu den schwersten Verletzungen zählen mindestens zwei Personen die im Krankenhaus behandelt werden mussten, mindestens eine weitere Person erlitt eine schwerere Kopfverletzung.

Zudem seien Anwält_innen und Journalist_innen von der Polizei an ihrer Arbeit gehindert, zum Teil auch attackiert worden. Selbst die bei der Polizei akkreditierten Journalist_innen seien unter Einsatz von Gewalt von der Polizei gezwungen worden, auf ihren Kameras die Bilder zu löschen. Sanitäter_innen und ÄrztInnen wurden in mehreren Fällen an der Behandlung Verletzter gehindert, obwohl die Haupteinsatzleitung über die Vorgänge informiert war. Einem der Verletzten sei im Gewahrsam länger als eine Stunde ärztliche Hilfe verweigert worden.

Für den Einsatz war ein Einsatzleiter aus Hamburg verantwortlich, der bereits beim Castortransport 2010 durch die Leitung von Einsätzen in deren Verlauf es zu systematischen Verstößen gegen das Versammlungsrecht und weitere Grundrechte kam, aufgefallen ist.
„Die unnötigen Übergriffe der Hamburger und Thüringer Polizei bei den Protesten in Metzingen führten zu mehreren Verletzten. Ein solches Vorgehen ist unverantwortlich. Es deutet sich an, dass die Rechtsverstöße der Polizei gegen Protestierende und jetzt auch gegen JournalistInnen vom Castortransport 2010 dieses Jahr ihre Fortsetzung finden. Es wird seitens der Polizei offensichtlich versucht, die Protestierenden durch unangemessene Gewalt einzuschüchtern, um sie von ihrem Recht auf Versammlung abzuhalten,“ so Rechtsanwalt Martin Lemke.
Das Legal Team kritisiert ebenfalls, dass BeamtInnen aller „Anti‐Konfliktteams“ der Polizei mit gut sichtbarer und griffbereiter Waffe agieren.
„Als AnwältInnen fordern wir die Gewährleistung der ungehinderten Berufsausübung und jederzeitigen Zugangs zu unseren MandantInnen. Das AnwältInnen trotz einer anderweitigen Zusage der Polizeidirektion Lüneburg von Polizisten an ihrer Arbeit gehindert werden ist nicht hinnehmbar,“ ergänzt Rechtsanwalt Gunther Specht.
Demgegenüber hat die Polizei den Einsatz der Wasserwerfer verteidigt und dabei versucht, die Reihenfolge der Geschehnisse umzukehren. Insbesondere wurde polizeilicherseits behauptet, die Gewaltanwendung sei eine Reaktion auf Stein-, Böller- und Flaschenwürfe gewesen, was Journalist_innen, Anwält_innen und Teilnehmer_innen entschieden bestritten. Vielmehr seien die ersten Würfe aus der Demo erst erfolgt, als die Polizei bereits zu knüppeln begonnen hatte.

Die Bundespolizei teilte unterdessen mit, weiterhin keine Blockaden zu tolerieren, sondern unabhängig vom jeweiligen Castor-Standpunkt räumen zu wollen. Im Laufe des heutigen Tages hat die Polizei unter Vorgriff auf die Allgemeinverfügung, die alle Demonstrationen entlang der Bahnstrecke untersagt, aber erst morgen um 0:00 Uhr in Kraft tritt, bereits versucht, Platzverweise auch für Privatgrundstücke auszusprechen. So z.B. bei den Baumhausaktivisten von Robin Wood. Zahlreiche Polizeikessel säumen derzeit die Bahnstreche zwischen Lüneburg und Dannenberg.

Seit heute morgen sind auch die Demobeobachter_innen des akj-berlin mit zehn Leuten in zwei Teams unterwegs, um das polizeiliche Vorgehen zu dokumentieren und zu bewerten.

Mittwoch, November 23, 2011

Wenn der Castor rollt, behalten wir nicht nur die Gleise im Blick

Einsatzbeobachtung zu den polizeilichen Maßnahmen beim Castor-Transport 2011

Auch in diesem Jahr werden wir die polizeilichen Maßnahmen anlässlich des Castortransports im Wendland mit 15 bis 20 "Demobeobachter/innen" kritisch begleiten, dokumentieren und bewerten.

Dieses vom Komitee für Grundrechte und Demokratie entwickelte Konzept der Demonstrationsbeobachtung dient dem Schutz der Grund- und Menschenrechte von Protestierenden. Diese sollen insbesondere ihre Meinung frei und kollektiv äußern können, sich frei bewegen und dabei körperlich und gesundheitlich unversehrt bleiben.

Stefanie Richter, Pressesprecherin des akj-berlin: "Die Vielfältigkeit der Handlungs- und Aktionsformen belebt den Widerstand und die Protestkultur. Sie sind Ausdruck der Gestaltungsfreiheit von Versammlungen und ein wichtiger Teil der politischen Teilhabe von unten, um den politisch-bürokratischen Entscheidungsapparat vor Einseitigkeit und Erstarrung zu bewahren. Unsere Beobachtung nimmt daher weniger die Proteste, sondern vor allem die Maßnahmen der Polizeikräfte vor Ort in den Blick."

Bereits im letzten Jahr hatte sich der akj-berlin mit über zehn Studierenden an den Beobachtungen des Komitees für Grundrechte und Demokratie im Wendland beteiligt. Dabei konnten zahlreiche Verstöße gegen das Übermaßverbot, z.B. beim Einsatz von Pfefferspray oder CS-Gas sowie unverhältnismäßige Gewaltanwendung bei Räumungen, aber auch rechtsgrundlose Videoaufnahmen dokumentiert werden. Auch in Berlin führt der akj-berlin regelmäßig Demonstrations- und Einsatzbeobachtungen durch oder beteiligt sich an solchen; zuletzt anlässlich der zwangsweisen Räumung eines Hauses in der Liebigstraße sowie bei antifaschistischen Demonstrationen.
Stefanie Richter: "Wir verstehen uns nicht als Teil der Protestaktionen, sondern beobachten als fachkundige Unbeteiligte das Verhalten der Polizei, das wir hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit und Wirkungsweise für die Inanspruchnahme von Bürgerrechten einer kritischen Bewertung unterziehen."
Die Demonstrationsbeobachter/innen sind an magentafarbenen Signalwesten mit der Aufschrift "Observer" erkennbar.