Donnerstag, April 30, 2009

Verwaltungsgericht Berlin kippt Transpibegrenzung und Verbot von Stahlkappenschuhen auf Demos

Wie als Ergebnis der mündlichen Verhandlung am 29. April 2009 vor dem Verwaltungsgericht Berlin deutlich wurde, werden die Versammlungsauflagen der Berliner Polizei, wonach Seitentransparente nicht länger sein dürfen als 1,50 m sowie das Tragen von Stahlkappenschuhen auf Demonstrationen verboten ist, keinen Bestand haben.

Der ReferentInnenrat der Humboldt-Universität zu Berlin hatte für den 26. Mai 2007 eine Schüler- und Studierendendemonstration unter dem Motto "Die G8-Bildungspolitik in die Zange nehmen" angemeldet. Parallel fand eine Demonstration unter gleichem Motto in Hamburg statt. Im Vorfeld der Veranstaltung waren Bundesanwaltschaft und BKA wegen vermuteter Terroranschläge im Zusammenhang mit dem G8-Kongress in Heiligendamm gegen zahlreiche GlobalisierungskritikerInnen vorgegangen - rechtswidrig, wie sich hinterher herausstellte. Entsprechend überzogen waren die Gefahrenprognosen der Polizei. So wurde die von Schüler- und Studierendenvertretungen sowie von den Gewerkschaften beworbene Demonstration als "gewaltgeneigt und -bereit" eingestuft.

Die Versammlungsbehörde hatte daher für die Demonstration u.a. folgende Auflagen erteilt:

  • Transparente und Plakate, die seitlich zur Marschrichtung getragen werden, dürfen nicht länger sein als 150 Zentimeter und dürfen nicht miteinander verknüpft werden.
  • Das Tragen von Stahlkappenschuhen ist untersagt.
  • Für jedes mitfahrende Fahrzeug muss einE WagenverantwortlicheR benannt werden, der/die für die Einhaltung der Sicherheit sämtlicher, sich aus der Nutzung des Fahrzeugs ergebender Verpflichtungen (neuerdings einschließlich aus dem Wagen gehaltenen Redebeiträge) verantwortlich gemacht werden kann.

Gegen die Auflagen hatte der ReferentInnenrat als Anmelder Klage erhoben. Bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hatte die 1. Kammer des VG Berlin Bedenken gegen die Begrenzung der Länge von Seitentransparenten deutlich gemacht und die Auflage abgemildert. Die in den nächsten Tagen zu erwartende Entscheidung wird nach der Mitteilung des Gerichts die Beschränkungen für Seitentransparente gänzlich kippen. Zukünftig können Seitentransparente danach nicht nur länger als 150 cm sein, sondern auch direkt miteinander verknotet werden. Lediglich das "Verseilen" von Transparenten kann weiterhin verboten werden, wenn dadurch eine Gefährdung für die Öffentlichkeit entsteht.

Auch ein generelles Verbot von Stahlkappenschuhen auf Demonstrationen wird es nicht mehr geben. Derartige Schuhe seien inzwischen ein vielgetragenes Modeaccessoir, die nicht pauschal für alle DemonstrationsteilnehmerInnen verboten werden dürfen, weil dies zur Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsteile führen würde. Die Polizei kann daher nur Einzelpersonen eine Teilnahme versagen, wenn zu erwarten ist, dass diese ihre Stahlkappenschuhe als Waffe einsetzen wollen.

Rechtsanwalt Sönke Hilbrans erklärt dazu als Prozessvertreter:

"Es ist erfreulich, dass das VG einige alte Zöpfe bei der Versammlungsbehörde abschneidet. Das wird auch Konsequenzen für die Anwendung des Strafrechts auf Versammlungen haben."
Lediglich die Benennungspflicht von Wagenverantwortlichen sieht das Gericht als zulässige Beschränkung der Versammlungsfreiheit an.

Marie Melior, Referentin für das Politische Mandat und Datenschutz im ReferentInnenrat der HU:
"Wir sind über die Rechtsauffassung der 1. Kammer sehr erfreut, die damit auch ihre bisherige Rechtssprechung an die Versammlungspraxis anpasst. Bedauerlicherweise wird aber mit den Wagenverantwortlichen eine Zusatzverpflichtung begründet, die im Versammlungsgesetz keine Grundlage findet. Solche Verpflichtungen können nämlich von der Ausübung des Demonstrationsrechts abschrecken, weil die Verletzung der Auflagen persönlich sanktioniert wird. Hierzu wird jedoch die Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts abzuwarten sein."
Stefanie Richter vom arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der HU (akj-berlin), zeigt sich dennoch optimistisch:
"Angesichts der bundesweiten Tendenz, die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit durch Aufstellung unverhältnismäßiger Auflagen auszuhöhlen, ist eine Entscheidung, welche die polizeilichen Maßnahmen im Bereich des Demonstrationsrechts wieder am Maßstab der Verfassung und nicht ausschließlich an Sicherheitsinteressen misst, längst überfällig. Das gilt um so mehr, wenn wie derzeit über den Erlass eines Berliner Versammlungsgesetzes diskutiert wird."

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Mittwoch, April 29, 2009

Organisiert euch!

Eine Informations- und Vernetzungsveranstaltung für ein Examen ohne Repetitor.

Weitere Informationen demnächst.

Donnerstag, 4. Juni 2009
um voraussichtlich 20 Uhr im Raum 139a
Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin
Bebelplatz 1 | Kommode | 1. Obergeschoss

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Sonntag, April 19, 2009

Sprache in Ost und West

… wird uns im 20. Jahr nach dem Mauerfall noch unvermeidlich begegnen. Für einen Bekannten, der sich, nun ja, schon einige Jährchen in der linken Szene bewegt, verbindet sich mit dem Spitznamen "Sudel-Ede" nicht der Sprecher der DDR-Sendung "Der schwarze Kanal", Karl-Eduard von Schnitzler, sondern Eduard Zimmermann, der Moderator von "Aktenzeichen XY ungelöst".

Warum er nicht ganz unrecht haben dürfte, zeigt dieser Beitrag aus den 1980er Jahren. Unverhohlen wird dort damit gedroht, im Netz der Terrorismusfahndung hängen zu bleiben, wenn man sich nicht brav den Personalausweis seiner Mitmenschen zeigen läßt.

Wie auch die anderen auf Youtube veröffentlichten Mitschnitten zeigen, sind die dort auftretenden PolizistInnen nicht echt. Es müssen Leute sein, die beim Casting für NachrichtensprecherInnen gescheitert sind ("Sie haben 0 von 20 Punkten: Ihre Mimik ist regungslos, ihre Sprache hölzern. Sie können keinen Text fehlerfrei vom Blatt ablesen. Wir hätten da einen Job für Sie.")

Teil 1



Teil 2



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Freitag, April 17, 2009

Brauner Black Bloc darf nicht wandern

Mai-Aufmarsch von Nazis in Hannover bleibt verboten

Das Verwaltungsgericht Hannover (VG) hat heute entschieden, dass der für den 01.05.2009 unter dem Motto "Schluss mit Verarmung, Überfremdung und Meinungsdiktatur – nationaler Sozialismus jetzt!!!" geplante Naziaufmarsch in Hannover verboten bleibt. Die richterliche Entscheidung macht dennoch Bauchschmerzen.

Die Protestveranstaltung war von einem der führenden Mitglieder der "Celler Kameradschaft 73" sowie eines Landtagswahl-Kandidat der NPD angemeldet worden, die auch vor das VG gezogen waren. Die Polizeidirektion Hannover hatte den Aufzug am 18.03.2009 sowie jedwede Ersatzveranstaltung in Hannover untersagt und das Verbot für sofort vollziehbar erklärt. In der Begründung hieß es, der angemeldete Nazi-Aufmarsch begründe eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

Dieser Einschätzung hat sich das VG angeschlossen. Es ließ zwar offen, ob bereits das Versammlungsmotto eine solche Gefährdung darstelle. Die Gefährdung folge aber aus der aus der Versammlung heraus zu erwartenden Gewalt gegen Menschen und Sachen. Diese Gefahrenprognose stützt das Gericht auf die angemeldete Zahl ("1000 +x") der TeilnehmerInnen, deren polizeiliche Kontrolle angesichts der zu erwartenden Gewaltbereitschaft der Teilnehmer nicht sichergestellt werden könne.

Dass ein so genannter "schwarzer Block" Teil der Demonstration sein wird, ergebe sich aus den Recherchen der Kammer zu den Demonstrationsaufrufen der Veranstalter und ihrer Sympathisanten im Internet. Dieser Block aus "Autonomen Nationalisten" stelle ein neues Gefährdungspotential rechter Demonstrationen dar. Außerdem könnten Vorfälle bei der Demonstration vergleichbarer Veranstalter in Hamburg am 01.05. im Vorjahr für eine Prognose herangezogen werden. Gewalttätige Ausschreitungen seien danach auch deshalb zu erwarten, weil sich weder der Antragsteller selbst noch die von ihm nunmehr benannten Versammlungsleiter von solchen Ausschreitungen überzeugend distanziert haben und zu befürchten ist, dass insbesondere die Versammlungsleitung vor Ort nicht darauf hinwirken wird, dass die Versammlung friedlich bleibt. Wenn Aufrufe Dritter zur Gewalt Einfluss auf die Teilnehmer haben können, sei aber von einem Veranstalter und von den Versammlungsleitern zu erwarten, dass diese bereits im Vorfeld öffentlich deutliche Signale setzen, die auf die Gewaltfreiheit der Versammlung ausgerichtet sind. Derartiges habe das Gericht nicht feststellen können.

So sehr das Ergebnis der richterlichen Entscheidung das antifaschistische Herz erfreuen mag, so bedenklich ist das Urteil hinsichtlich seiner Interpretation der Versammlungsfreiheit und seiner Ausführungen zur antifaschistischen Gegenbewegung, die ausdrücklich in die Gefahrenprognose eingeschlossen wurde. Denn die eben genannten Erwägungen zur Unfriedlichkeit der Versammlung ließen sich problemlos auf die Wahrnehmung einer linken Demonstration übertragen, in der eben kein brauner, sondern ein echter schwarzer Block mitläuft.

So heißt es: Es komme nicht darauf an, ob es der Polizei gelingen könnte, die Begehung von Gewalttätigkeiten aus der Versammlung heraus zu verhindern, denn es sei nicht Aufgabe der Polizei, durch ihren Einsatz die Durchführbarkeit der Veranstaltung sicherzustellen. Mensch könnte hier fragen, wessen Aufgabe es sonst sein könne, wenn nicht die der Polizei. Und, klar freut es, dass das VG nicht nur Schäden an PolizeibeamtInnen, sondern ausdrücklich auch an linken GegendemonstrantInnen vermeiden will. Nur wird hier zugleich das Bild einer unfriedlichen Protestgesellschaft gezeichnet, die unweigerlich in eine nicht kontrollierbare Gewalteskalation kippt, sobald sich unversöhnlich kämpferische Meinungen gegenüberstehen. Das ist das Angstszenario der Weimarer Republik und ihrer Straßen- und Saalschlachten zwischen u.a SA und Rotfrontkämpferbund am Ende der 30er Jahre.

Dieses Szenario wird nicht ohne Wirkung bleiben, wenn irgendwann eine Antifa-Gruppe z.B. gegen deutsche Leitkultur und Homophobie demonstrieren will und Fascho-Gruppen zum (gewaltsamen) Gegenprotest aufrufen.

Dabei ist eine solche gerichtliche Prognoseabwägung durch die Verfassungsrechtsprechung des BVerfG zur Versammlungsfreiheit vorgegeben. Da diese eben gerade keine Inhaltskontrolle der zur Schau getragenen Gesinnung einer Demonstration vornehmen und Art. 139 Grundgesetz eben keinen antifaschistischen Verteidigungsauftrag entnehmen will, werden Versammlungsverbote rechtsradikaler Aufmärsche auch weiterhin über polizeiliche Notstände und Black-Bloc-Szenarien begründet werden müssen. Eine Verbot faschistischer Demonstrationen allein aus der Tatsache, dass Faschismus ein (zugegeben nicht justizialbes) Verbrechen ist, weil er Menschwürde und Gleichheit der Menschen vor einander und vor dem Gesetz leugnet, ja zerstören will, kennt unser Rechtsstaat nicht.

Entsprechend wurde die Verbotsverfügung auch in Hannover auf einen polizeilichen Notstand gestützt, der ohne Verweis auf die Konfrontationslage, also auf die Linke nicht auskommt: Es bestehe eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit gewalttätiger Aktionen durch militante Gegendemonstranten selbst dann, wenn die Antragsgegnerin sämtliche bereits angemeldeten Gegendemonstrationen mit Versammlungsverboten belegen würde. Für diesen Fall wäre anzunehmen, dass es auch beim Einsatz von mehreren Tausend Polizeikräften nicht gelingen könnte, Gewaltfreiheit zu sichern.

Das Niedersächsische OVG wird über die vermutlich eingelegte Beschwerde zu entscheiden haben.

Quelle: Juris.de

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