Neuer Schritt zum Feindstrafrecht?
Die EU-Terrorlisten in Verbindung mit § 34 des Außenwirtschaftsgesetzes
Diskussionsveranstaltung mit:
Prof. Dr. Andreas Paulus, Richter am Bundesverfassungsgericht
RA Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR
RAin Britta Eder
Moderation: Wolfgang Nešković, MdB, Bundesrichter a. D.
21.05.2010
18.30 Uhr
Humboldt-Universität zu Berlin, Senatssaal
Unter den Linden 6, 10099 Berlin
Die Terrorlisten der Europäischen Union stehen bereits seit längerer Zeit in der Kritik. Wer auf einer dieser Listen steht, den treffen Reiseverbote und Finanzrestriktionen. Für die betroffene Person hat eine Listung zunächst die Sperrung sämtlicher Konten zur Folge. Zugleich dürfen der gelisteten Person auch keine Gelder und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Diese Sanktionen werden in einem demokratisch und rechtsstaatlich überaus fragwürdigen Verfahren verhängt. Das Vorgehen der Europäischen Union hat deshalb bereits scharfe Kritik erfahren. Dick Marty, der Sonderbeauftragte des Europarates, hat die Terrorlisten scharf angegriffen und sie als rechtsstaatlich skandalös bezeichnet. Für ihn kommt eine Listung auf einer Terrorliste einer zivilen Todesstrafe gleich. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sprach in einem Spiegelinterview von den Terrorlisten als »ganz heiklem und ungelöstem Problem«.
Zurzeit wird in mehreren Gerichtsverfahren über Anklagen der Bundesanwaltschaft verhandelt, basierend auf dem § 34 Abs. 4 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) in Verbindung mit den EU-Terrorlisten. Bei der Strafvorschrift des § 34 Abs. 4 AWG handelt es sich um eine sogenannte Blankettnorm, d. h. das Gesetz beschreibt nicht abschließend, welche konkreten Handlungen strafbar sind, sondern überlässt diese Bestimmung europäischen oder internationalen Rechtsakten. Auf die Terrorlisten bezogen bedeutet dies, dass nicht etwa durch den deutschen Gesetzgeber entschieden wird, mit welchen Personen oder Organisationen finanzielle Kontakte strafbar sind, sondern dass diese Festlegungen durch in regelmäßigen Abständen wechselnde EU-Ministerratsbeschlüsse getroffen werden.
In einem der Verfahren legte das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf jetzt mehrere Fragen an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zur Vorabentscheidung vor. Die entsprechende mündliche Verhandlung findet am 12. Mai statt.
Kritiker sehen in den Anklagen einen neuen Schritt zum Feindstrafrecht und die Etablierung eines neuen Mittels zur Kriminalisierung unliebsamer politisch tätiger Menschen, das kaum mehr einer juristischen und demokratischen Kontrolle unterliegt (weitere Infos).
Diskussionsveranstaltung mit:
Prof. Dr. Andreas Paulus, Richter am Bundesverfassungsgericht
RA Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR
RAin Britta Eder
Moderation: Wolfgang Nešković, MdB, Bundesrichter a. D.
21.05.2010
18.30 Uhr
Humboldt-Universität zu Berlin, Senatssaal
Unter den Linden 6, 10099 Berlin
Die Terrorlisten der Europäischen Union stehen bereits seit längerer Zeit in der Kritik. Wer auf einer dieser Listen steht, den treffen Reiseverbote und Finanzrestriktionen. Für die betroffene Person hat eine Listung zunächst die Sperrung sämtlicher Konten zur Folge. Zugleich dürfen der gelisteten Person auch keine Gelder und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Diese Sanktionen werden in einem demokratisch und rechtsstaatlich überaus fragwürdigen Verfahren verhängt. Das Vorgehen der Europäischen Union hat deshalb bereits scharfe Kritik erfahren. Dick Marty, der Sonderbeauftragte des Europarates, hat die Terrorlisten scharf angegriffen und sie als rechtsstaatlich skandalös bezeichnet. Für ihn kommt eine Listung auf einer Terrorliste einer zivilen Todesstrafe gleich. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sprach in einem Spiegelinterview von den Terrorlisten als »ganz heiklem und ungelöstem Problem«.
Zurzeit wird in mehreren Gerichtsverfahren über Anklagen der Bundesanwaltschaft verhandelt, basierend auf dem § 34 Abs. 4 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) in Verbindung mit den EU-Terrorlisten. Bei der Strafvorschrift des § 34 Abs. 4 AWG handelt es sich um eine sogenannte Blankettnorm, d. h. das Gesetz beschreibt nicht abschließend, welche konkreten Handlungen strafbar sind, sondern überlässt diese Bestimmung europäischen oder internationalen Rechtsakten. Auf die Terrorlisten bezogen bedeutet dies, dass nicht etwa durch den deutschen Gesetzgeber entschieden wird, mit welchen Personen oder Organisationen finanzielle Kontakte strafbar sind, sondern dass diese Festlegungen durch in regelmäßigen Abständen wechselnde EU-Ministerratsbeschlüsse getroffen werden.
In einem der Verfahren legte das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf jetzt mehrere Fragen an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zur Vorabentscheidung vor. Die entsprechende mündliche Verhandlung findet am 12. Mai statt.
Kritiker sehen in den Anklagen einen neuen Schritt zum Feindstrafrecht und die Etablierung eines neuen Mittels zur Kriminalisierung unliebsamer politisch tätiger Menschen, das kaum mehr einer juristischen und demokratischen Kontrolle unterliegt (weitere Infos).