Sonntag, August 29, 2010

Treueverhältnisse

Immer wieder erfreuen mich die unterschiedlichen Positionen, die Menschen in meinem sozialen Umfeld zum Thema FDGO-Treue einnehmen. Ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung wird ja an bestimmten Etappen in bestimmten Berufswegen abverlangt, und der Umgang damit kann so gegensätzlich wie gleichwohl überzeugend ausfallen. Genau entgegengesetzt, aber jeweils völlig schlüssig waren die Verhaltensweisen von zwei Leuten, die im Referendariat Beamte auf Probezeit wurden und sich überlegen durften, ob sie die geforderte Treue-Erklärung mit oder ohne religiöse Formel – „So wahr mir Gott helfe.“– ableisten wollten: Der linksradikale und atheistische Jurist sprach den Gottesbezug und begründete dies mit einem lakonischen „Wenn schon lügen, dann richtig.“ Die Lehrerin und praktizierende Christin verzichtete ebenso entschieden auf die religiöse Formel. Denn „ich brauche Gott für vieles – aber nicht für die Einhaltung der brandenburgischen Landesverfassung!“
Neulich saßen wir mit ebenjener Lehrerin, Freund_innen und Verwandten zusammen und kamen auf ihre demnächst anstehende richtige Verbeamtung zu sprechen. Als ihre Mutter – ebenfalls Christin – genaueres über das Zeremoniell erfuhr, zeigte sie ein mir bis dahin bei ihr unbekanntes Maß an Empörung: „Du musst da was schwören, und ich weiss es nicht? Du warst nicht bei den Pionieren, Du hast keine Jugendweihe gemacht – und jetzt musst Du da was schwören und ich weiss es nicht?“
Diese gemeine Parallele zwischen unrechtsstaatlichen und freiheitlich-demokratischen Initiationsritualen ist ja selbst schon fast ein Negativ-Bekenntnis. An sich bin ich zwar kein Fan von Religionen – aber DDR-Christ_innen sind schon oft ziemlich cool drauf!

Donnerstag, August 19, 2010

Normenkontrollantrag gegen SächsVersG eingereicht

Die Mitglieder der Fraktionen Die LINKE, SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag haben beim Sächsischen Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, das im Januar 2010 beschlossene Gesetz über die landesrechtliche Geltung des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge für nichtig zu erklären.

Vertreten werden sie dabei von
Prof. Dr. Ralf Poscher. Über den wesentlichen Inhalt der Antragsschrift informiert eine gemeinsame Pressemitteilung der drei Fraktionen (html, PDF).

So meinen die Antragsteller_innen, § 15 Abs. 1 Satz 2 SächsVersG stelle im Gegensatz zur Rechtsprechung des BVerfG zu niedrige Anforderungen an die Gefahrenprognose der Behörden für
ein Versammlungsverbot. Die Befugnis zu Verboten von bzw. Auflagen für Versammlungen an Orten "von historisch herausragender Bedeutung" (§ 15 Abs. 2) sei unzulässiges Sonderrecht, weil diese nicht nur Versammlungen betreffe, die die „nationalsozialistische“ sondern auch „die kommunistische Gewaltherrschaft“ verharmlosen oder Opfer jedweder Kriege in ihrer Würde verletzen. Nach der Entscheidung des BVerfG zu den Rudolf-Hess-Märschen (1 BvR 2150/08) sei ein solches Sonderrecht aufgrund der Einmaligkeit der unter ihm begangenen Verbrechen lediglich in Bezug auf affirmative Äußerungen zum Nationalsozialismus zu rechtfertigen. Sie sei ferner weitgehend ungeeignet, die Menschenwürde bzw. die Würde der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zu schützen und zu unbestimmt und mit dem "Wesentlichkeitsvorbehalt" nicht vereinbar, weil sie die Festlegung weiterer Orte den örtlichen Versammlungsbehörden überlasse.

Wohl nicht ohne Grund steht folgendes Argument an letzter Stelle: Das Gesetz sei bereits formell verfassungswidrig, weil die Anforderungen an ein verfassungsmäßiges parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren missachtet worden seien. In der Tat hatte das Gesetz über die landesrechtliche Geltung des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge den Wortlaut des Bundesgesetzes als Landesrecht übernommen und lediglich an einigen Stellen geändert – mit der Folge, dass das Landesgesetz in § 3 Abs. 2 Satz 2
dem Bundesinnenminister eine Aufgabe zuweist. Darin sehen die Antragsteller_innen einen Widerspruch zum rechtstaatlichen Grundsatz einer transparenten Gesetzgebung, der insbesondere bei Eingriffen in die Grund- und Menschenrechte einen als Stamm- oder Änderungsgesetz gefassten soliden Textvorschlag verlange. Ob das SächsVerfGH dem Argument folgt, wird sich zeigen. Jedenfalls zeigt das Beispiel, dass das Gesetz auch "handwerklich" Anlass zur Kritik gibt.

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