Sonntag, November 22, 2009

Ohne Polizei ist ganz nett

Presseerklärung KJ/akj-berlin zur Demonstrationsbeobachtung am 21. November 2009

An dieser Stelle danken wir dem ECCHR für Obdach, Schnittchen, Bier und W-Lan!

Anlässlich der von verschiedenen Antifa-Gruppen am 21. November 2009 durchgeführten alljährlichen Demonstration zum Gedenken an den 1992 von Neonazis ermordeten Hausbesetzer und Antifaschisten Silvio Meier führten die Kritischen Jurist_innen an der Freien Universität Berlin und der arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin) gemeinsam mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie eine Demonstrationsbeobachtung mit 20 BeobachterInnen durch. Da es bei vergleichbaren Versammlungen immer wieder zu Beschränkungen der Demonstrationsfreiheit, zu Auseinandersetzungen mit und Übergriffen durch die Polizei kam, war es unser Ziel, als von der Polizei und den VeranstalterInnen unabhängige BeobachterInnen den Demonstrationsverlauf zu dokumentieren.


Entsprechend der neuen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichts Berlin, wonach das Tragen von Stahlkappenschuhen sowie die Mitnahme von Seitentransparenten von mehr als 2 Meter Länge kein pauschaler Ausschlussgrund für DemonstratInnen sind, wurden die Auflagen der Polizei gegenüber den Vorjahren teilweise angepasst. Allerdings zeigte sich bei den umfangreichen und intensiven Vorkontrollen, dass die Einsatzkräfte weder mit den konkreten Auflagen noch mit der neuen Rechtslage vertraut waren. Hierbei kam es bereits zu zwei vorübergehenden Ingewahrsamnahmen wegen angeblicher Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Nicht in jedem Fall war gewährleistet, dass Frauen nur von Polizeibeamtinnen abgetastet und durchsucht wurden.


Kristina Tiek von den Kritischen Jurist_innen FU erklärt hierzu: „Vorkontrollen dürfen eigentlich nur zu Gefahrenabwehrzwecken durchgeführt werden. Einmal mehr zeigte sich, dass solche Maßnahmen oft schikanösen Charakter haben und TeilnehmerInnen einschüchtern.“


Begrüssenswert ist, dass die Polizei während des Verlaufs der Demonstration nur vereinzelt uniformiert und zunächst sehr zurückhaltend auftrat, sodass sich die Demonstration weitgehend ungestört entfalten konnte. Insbesondere verzichtete die Polizei darauf, die Versammlung im Spalier abzuschirmen. Dafür wurde der Zug von einer größeren Zahl nicht uniformierter Polizeikräfte begleitet, die sich entgegen den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes gegenüber den VeranstalterInnen nicht zu erkennen gegeben hatten. Dies wurde in Redebeiträgen auch mehrfach als Störung thematisiert.


Wie in den letzten Jahren auch befanden sich weder Wasserwerfer noch Räumfahrzeuge in Sichtweite der Demonstration. Dieses Vorgehen hatte eine spürbar deeskalierende Wirkung. An mehreren Stellen wurde der gesamte Zug von polizeilichen Videotrupps aufgenommen, wofür ein Anlass nicht ersichtlich war. Zu kritisieren bleibt weiterhin das Verhalten einzelner BeamtInnen gegenüber DemonstrantInnen. So beobachteten wir einen Beamten der 23. Einsatzhunderschaft an der Ecke Simon-Dach-Str./Grünberger Str., der sich berechtigt glaubte, wahllos auf die hinter einem Transparent stehenden TeilnehmerInnen einzuschlagen. Dem besonnenen Verhalten der umstehenden TeilnehmerInnen ist es zu verdanken, dass die Situation nicht eskalierte.


Bereits im Verlauf der Demonstration kam es zu mehreren Festnahmen. Bei einer nahe des Bersarinplatzes durchgeführten Festnahme wurde unverhältnismäßig Gewalt ausgeübt, als mehrere Beamte einen Teilnehmer, der angeblich eine Polizeikette überwinden wollte, auf den Straßenbahnschienen zu Boden brachten und seinen Kopf mehrfach gegen die Gleise stießen.


Die Versammlung wurde 18:34 Uhr in der Boxhagener Straße/Simon-Dach-Straße für beendet erklärt. Nach Angaben der VeranstalterInnen sollte damit einem für die Abschlusskundgebung erwarteten leichteren Zugriff der Polizeikräfte vorgebeugt werden. Zu diesem Zeitpunkt waren viele Polizeikräfte mit Helmen und in voller Einsatzmontur vor Ort. In der Folge entstand eine unklare Situation. So hatten viele TeilnehmerInnen in dem langgezogenen Zug zunächst keine Kenntnis von der Beendigung der Versammlung.


Die Polizei führte nun mehrere Verhaftungen durch und sperrte Straßenteile ab, wobei auch Hunde zum Einsatz kamen. Ein klares Konzept war jedoch lange nicht erkennbar. In der Niederbarnimstraße wurde durch irritierende Absperrungen zeitweilig eine kesselartige Situationen geschaffen. Dabei kam es zu anscheinend willkürlichen Verhaftungen und leichtfertigen Einsätzen von Pfefferspray, die viele Umstehende trafen. Auch bei den Verhaftungen beobachteten wir unangemessenen Gewalteinsatz.


Stefanie Richter, Sprecherin des akj-berlin: „Leider mussten wir feststellen, dass unsere Arbeit als DemonstrationsbeobachterInnen nach Versammlungsende massiv behindert wurde. So wurde gegen fünf BeobachterInnen ein unbegründeter Platzverweis ausgesprochen, wobei ein Beamter verbal ausfällig wurde. Seine Dienstnummer hat er selbstverständlich auch nicht herausgegeben. Insgesamt ist also festzuhalten, dass sich die Polizei während des friedlichen Verlaufs der Demonstration kooperationsbereit zeigte. Sobald die Situation jedoch zu eskalieren drohte, wurde unsere Arbeit beeinträchtigt.“


Angesichts der auch diesmal wieder festgestellten unverhältnismäßigen Übergriffe halten wir an der Forderung einer allgemeinen, auch im „geschlossenen Einsatz“ durchgesetzten Kennzeichnungspflicht für PolizeibeamtInnen (z.B. durch an den Uniformen offen angebrachte individuelle Kennungen) fest. Angesichts der anfänglichen Zurückhaltung der Polizei verlief die heutige Demonstration friedlicher und ungestörter als viele zuvor von uns beobachtete Versammlungen. Einmal mehr zeigte sich, dass die Versammlungsfreiheit am besten durch die Abwesenheit staatlicher Reglementierung verwirklicht wird.

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Donnerstag, November 19, 2009

Wir beobachten die Polizei

Grundrechtekomitee, Kritische Jurist_innen FU und akj-berlin beobachten die Silvio-Meier-Demo am 21. November 2009 in Berlin Friedrichshain

Am 21.11.2009 wird mit einer Demonstration dem Antifaschisten und Hausbesetzer Silvio Meier gedacht, der am 21. November 1992 am U-Bahnhof Samariterstraße von Neonazis erstochen wurde. Mit insgesamt ca. 25 BeobachterInnen werden wir die Versammlung begleiten. Dabei verstehen uns in dieser Rolle nicht als TeilnehmerInnen der Demonstration, sondern wollen die demokratisch fundamentalen Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit schützen (Konzept Demobeobachtung).

Die Entwicklungen im staatlichen Umgang mit dem Demonstrationsrecht müssen erschrecken. Seit der Föderalismusreform wird versucht, dieses Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 5 und 8 GG) gesetzlich einzuschränken. Hätte das Bundesverfassungsgericht der Entwicklung hin zu rechtswidrigen Gesetzen nicht in einer Eilentscheidung zum bayerischen Versammlungsgesetz Einhalt geboten, gäbe es wohl schon mehr solcher rechtswidrigen Gesetze.

Längst wird in der Praxis das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit durch politische Stimmungsmache und durch gewaltförmiges Vorgehen gegen Demonstrationen eingeschränkt, wenn nicht sogar ausgehebelt. Demonstrationen werden per Video überwacht. – Das Verwaltungsgericht Münster hat jedoch unlängst, am 21. August 2009, festgestellt, dass eine solche Videoüberwachung rechtswidrig ist, wenn von den Demonstrierenden nicht eine „unmittelbare erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ ausgeht.

Der Zugang zu Demonstrationen wird kontrolliert und Personen werden durchsucht – das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seinem Brokdorf-Beschluss (1985) wie auch in seinem Volkszählungsurteil (1983) die Gefährdung der Demokratie hervorgehoben, die von einer staatlichen Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern bei der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte ausgeht. Diese verlieren die Chance, sich ohne Angst vor Nachteilen an der politischen Meinungsbildung zu beteiligen.

Anmelderinnen und Anmelder von Demonstrationen werden eingeschüchtert und Demonstrationen übermäßig mit Auflagen belegt. Die Gerichte können jedoch meist erst nachträglich die Rechtswidrigkeit feststellen.

Diesen Monat haben Verfassungsschutz, Polizeipräsident und Innensenator von Berlin erneut eine konzertierte Aktion gegen Linke gestartet. Sie warnen vor den „Linksextremisten“ und deren Gewalttaten. Sie schätzen die „Linksextremisten“ als gefährlicher ein als die „Rechtsextremisten“ und verkennen die gesellschaftliche Lage damit fatal. Der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin kann seine rassistischen und ausländerfeindlichen Meinungen öffentlichkeitswirksam kundtun, Anhänger der NPD und der Kameradschaften greifen ihnen nicht genehme Menschen an, bedrohen sie und schlagen zu. Politik, Polizei und Verfassungsschutz klagen jedoch linke Demonstrationen pauschal an. Erst Anfang September ist jedoch bei der Demonstration „Freiheit statt Angst“ ein Demonstrierender von der Polizei zusammengeschlagen worden. Nur die Videoaufzeichnungen anderer Demonstrierender konnten darüber aufklären und auch die späteren polizeilichen Falschdarstellungen entlarven.

Genug der Gründe mal wieder eine Demonstration in Berlin beobachtend zu begleiten. Unsere Beobachtungen des Polizeieinsatzes und des Verlaufs der Demonstration werden wir in einer Pressemitteilung veröffentlichen.

Freitag, November 06, 2009

Ab ins Jrüne



akj auf Semesterfahrt
nach Wernsdorf (bei Berlin)
Wochenende vom 13. bis 15. November 2009

Wie in den letzten Jahren auch, brauchts zum kritisch leben öfter mal etwas Abstand zum Betrachtungsobjekt. Daher brechen wir mal wieder ins Brandenburgische auf. Diesmal geht es nach Wernsdorf am Krossinsee nahe Königs Wusterhausen. Zu der Fahrt sind alle FreundInnen des akj, Interessierte und insbesondere die Jura-Erstsemester der Berliner Universitäten einladen. Neben spannenden Workshops zu sozialen globalen Rechten, Videos und Diskussionen steht auch gemeinsames Kochen, Spazierengehen und Rumblödeln auf dem Programm. Dabei sollen auch Erfahrungsberichte von Leuten aus allen Ausbildungsabschnitten nicht zu kurz kommen.

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