Donnerstag, August 30, 2007

BGH denkt über § 129a StGB nach

Dank der Brüsseler Regulierungswut könnten der Bundesanwaltschaft und dem Bundeskriminalamt ein Lieblingsspielzeug abhanden kommen. Wie das "Bündnis für die Einstellung des § 129a-Verfahrens" und die Rechtsanwältin von Andrej H. übereinstimmend mitteilen, will sich der Bundesgerichtshof (BGH) grundsätzlich mit der Frage auseinandersetzen, unter welchen Voraussetzungen eine Vereinigung als terroristisch im Sinne von § 129a des Strafgesetzbuches einzustufen ist und wann dementsprechend ein dringender Tatverdacht anzunehmen ist.

Anlass hierfür ist die Beschwerde der Bundesanwaltschaft gegen die Haftverschonung für Andrej H. Dem Wissenschaftler wird vorgeworfen, sich an der "militanten gruppe" beteiligt zu haben, der wiederum verschiedene Brandanschläge vorgeworfen werden. Er war, wie drei andere Beschuldigte auch, am 30. Juli festgenommen worden. Als einziger wurde er am 25. August gegen Kaution und unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt.

Rechtlicher Hintergrund für das Bedürfnis des BGH, womöglich eine Grundsatzentscheidung zu treffen, sind die Änderungen des § 129a, durch die ein Rahmenbeschluss der EU zur Terrorismusbekämpfung [PDF] umgesetzt werden sollte. Durch die Gesetzesänderung wurde nicht nur der Strafrahmen erheblich erhöht, sondern auch der Katalog der als "terroristisch" einzustufenden Straftaten erweitert. Gleichzeitig ist nach dem neugefassten Paragrafen bei bestimmten Katalogtaten zustätzlich erorderlich, dass

"eine der [...] Taten [dazu] bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann."

Letztgenannte Voraussetzung sieht der BGH bei der "militanten gruppe" wohl nicht ohne Weiteres gegeben. Er beabsichtigt nicht vor dem 5.10.2007 zu entscheiden. Solange bleibt es bei der Haftverschonung für Andrej H.

Ein bißchen tratschen wollen wir auch noch: Im zuständigen 3. Strafsenat sitzt Dr. Miebach, der zufälligerweise den § 129a im "Münchner Kommentar" kommentiert hat und genau die oben angesprochen Frage für klärungsbedürftig angesehen hat.

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Zum 2. Mal Freispruch trotz Vermummung

Wie das apabiz heute mitteilt, hat das Amtsgericht Tiergarten zum zweiten Mal eine Berliner Studentin vom vom Vorwurf, gegen das Vermummungsverbot verstoßen zu haben, freigesprochen. Die Angeklagte hatte sich am 1. Mai 2004 während einer Demonstration gegen einen NPD-Aufmarsch in Berlin-Lichtenberg mit einem Halstuch und einer Kapuze unkenntlich gemacht.

Bereits im ersten Prozess am 21. April 2005 lautete das Urteil auf Freispruch. Nach einer Sprungrevision hatte das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil
am 15. Dezember 2006 aufgehoben und den Fall an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das Amtsgericht blieb dabei, dass eine verbotene Vermummung auf Versammlungen nicht vorliege, wenn sich DemonstrantInnen nur vor "Anti-Antifa"-FotografInnen schützen wollen. Der Richter am Amtsgericht begründete das Urteil damit, dass Paragraf 17a des Versammlungsgesetzes einzig die Identifizierbarkeit von DemonstrantInnen sicherstellen soll. Die Angeklagte hatte sich über Stunden unvermummt in einem Polizeikessel aufgehalten. Dort wurde sie durchgehend von der Polizei gefilmt und fotografiert. Eine Feststellung ihrer Identität durch die Sicherheitskräfte wäre demnach ohne weiteres möglich gewesen.

Damit folgte ein weiteres Mal ein Gericht der Argumentation, dass die Vermummung zum Schutz vor fotografierenden Rechtsextremisten keine Straftat darstellt. Am 15. August war in Düsseldorf ein Antifaschist in einem ähnlichen Fall freigesprochen worden. Über einen älteren Fall vor dem Amtsgericht Rothenburg/Wümme hatten wir bereits berichtet; der dortige Freispruch ist vom Landgericht Verden aufgehoben worden.

Der zweite Freispruch kann durchaus als erfreuliche Überraschung bewertet werden. Wie InsiderInnen mit Hintergrundwissen zu berichten wissen, hatte das Kammergericht die Argumentation des Amtsgerichts nicht beanstandet, monierte aber, dass der Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt worden sei, um den Freispruch zu tragen. In der Revisionsbegründung hatte das Kammergericht dabei dem Amtsgericht ausführliche Vorgaben für die Beweiserhebung mit auf dem Weg gegeben. Sinngemäß lauteten sie so: Das Gericht müsse in allen Einzelheiten feststellen, wann, wo, wie lange fotografiert wurde bzw. sich die Angeklagte vermummt habe. Damit sollte - so die Einschätzung der InsiderInnen - ein Freispruch von so hohen Anforderungen an die Ermittlung des Sachverhalts abhängig gemacht werden, dass er faktisch unmöglich wird - Ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl, dass der Freispruch eigentlich nicht erwünscht ist. Mal sehen, ob die Staatsanwaltschaft auch gegen diesen Freispruch vorgeht. Es bleibt also spannend.

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