Urteil des Sozialgerichts Berlin (Az.: S 87 AS 5053/06)JobCenter wegen Rechtsmissbrauch zur Zahlung von Verfahrenskosten verurteilt
Die 87. Kammer des
Sozialgerichts Berlin hat in der heutigen Entscheidung das JobCenter Marzahn-Hellersdorf wegen der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung Verfahrenskosten in Höhe von
250,00 € auferlegt. Das teilte der Anwalt des Klägers,
Michael Wittich, gegenüber der
freischüßler-Redaktion mit. Eigentlich ist das Sozialgerichtsverfahren beim Arbeitslosengeld II für die Beteiligten, also auch das JobCenter, gerichtskostenfrei. Gemäß
§ 192 Absatz 1 Nr. 2 SGG können aber einem Beteiligten die Kosten auferlegt werden, wenn er Kosten dadurch verursacht, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden ist (klarer Gesetzeswortlaut und Aussichtslosigkeit des Verfahrens) und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist.
Der Vorsitzende hatte darauf hingewiesen, dass er die weitere Aufrechterhaltung des Rechtsstreits sowie der Weigerung der Abgabe eines Anerkenntnisses durch das beklagte JobCenter aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung sowie der erläuterten Rechtsprechung als grob missbräuchlich ansieht.
Bereits in der vorangegangenen Eilentscheidung des Gerichts wurde die Rechtslage dargestellt, auch das Landessozialgericht hatte in der Beschwerdeentscheidung erhebliche Bedenken gegen die Rechtsauffassung des JobCenters geäußert und ein Anerkenntnis nahe gelegt. Nun wurde die Rechtslage in der Verhandlung erneut erläutert und auf die dazu ergangen Rechtsprechung verwiesen. Trotz dieser Hinweise hat das beklagte JobCenter seine Rechtsauffassung nicht näher begründet und auch kein Anerkenntnis erklärt unddadurch zusätzlichen Aufwand und Kosten verursacht.
Unterdessen steigt die Zahl der Klagen gegen den Vollzug von Hartz IV-Gesetzen vor den Sozialgerichten weiter an. Auf seiner Homepage veröffentlichte das Berliner Sozialgericht eine "
Harz-IV-Kruve" für das Jahre 2006 in Form einer Fieberkurve. Danach registrierte das Sozialgericht im Jahr 2006 insgesamt 26.185 neue Klagen und Eil-Anträge, von denen fast jedes zweite Verfahren Hartz IV (11.892 Verfahren) betraf (entspricht 45 Prozent der Eingänge). Dabei mussten die RichterInnen immer wieder grundlegende Fehler im Verwaltungsverfahren ausbügeln. Zuletzt wandte sich Gerichtspräsidentin
Sabine Schudoma mit einem Protestbrief an die Senatsverwaltung, in der sie den JobCentern grundlegende Unfähigkeit bei der Bescheidung von Hartz IV-Anträgen nachwies. Bereits in einer Pressemitteilung vom 31.5.2007 hieß es: "Bereits die aktuelle Rechtslage sieht drastische Sanktionen vor, wenn Hartz-IV-Empfänger eine Arbeit verweigern. Bei der Umsetzung des Gesetzes unterlaufen den Job-Centern jedoch immer wieder Fehler. [...] Allein in diesem Jahr [2006] musste das Sozialgericht jedoch mehrere Entscheidungen der Berliner Job-Center aufheben, weil beispielsweise wichtige Verfahrensgrundsätze verletzt waren."
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